Was wurde aus dem Chatbot-Hype?

Vor einiger Zeit wurden Chatbots als der nächste Hype angepriesen. Es hieß, dass sie uns online alle Informationen liefern werden, die wir suchen und dass die KI alle Geschäftsbereiche automatisieren würden. Dann wurde es ruhiger um dieses Thema. Wir denken, es ist Zeit für ein Update. Im Interview mit Xaver Lehmann, dem Mitbegründer und CEO von E-bot7, sprechen wir darüber, wo die Branche im Jahr 2018 steht und wie junge Unternehmen von der Technologie profitieren können. 

Danke Herr Lehmann, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch nehmen. Können Sie sich noch daran erinnern, was Sie zu Beginn des Chatbot-Hyps dachten – was passierte damals?

Zum einen dachten die Leute am Anfang, dass Chatbots in jedem Bereich funktionieren würden – das war einfach nicht der Fall. Die Erwartungen waren also viel zu hoch. Ehrlich gesagt, gibt es viele Anwendungen für Bots, die gar keinen Sinn machen und bei denen eine App einfach viel besser funktioniert – ein gutes Beispiel hierfür ist News & Publishing Bots.

Zweitens haben die meisten Unternehmen, die einen Chatbot auf ihre Website einsetzen, ihren Kunden gar nicht wirklich den Sinn einer Chatbot erklärt. Das führte dazu, dass Kunden den Bots alle möglichen allgemeinen Fragen stellten, wie „Wie alt ist Angela Merkl?“ und „Wie hat Bayern München heute gespielt?“ – selbst wenn die Bots gar nicht dazu gebaut waren, diese Fragen zu beantworten. 

Zudem dachten viele Unternehmen, sie könnten einen Chatbot entwickeln und dieser würde dann sofort alle Fragen beantworten können, die Kunden stellen. Dabei vergaßen sie komplett, dass sie dem Chatbot die Antworten erst beibringen müssen. Denn auch Chatbots können nicht alle Fragen auf Anhieb richtig beantworten. So etwas passiert nicht über Nacht! 

Warum sollte eine junge Firma einen Chatbot benutzen? 

Wenn wir nur von unserem Produkt ausgehen (ein integrierter KI-Bot für den Kundenservice), spielt die Größe des Unternehmens keine Rolle. Viel wichtiger ist die Anzahl der Support-Tickets. Wenn ein Unternehmen eine große Anzahl von Support-Tickets hat, bei denen immer wieder ähnliche Fragen auftauchen, dann macht ein Chatbot wie der unsere auf jeden Fall Sinn. 

Gibt es bestimmte Branchen, in denen Ihrer Meinung nach junge Unternehmen besonders von Chatbots profitieren? 

Telekommunikationsunternehmen profitieren eigentlich immer von Chatbots. Die Fragen, die hier gestellt werden, sind meist sehr ähnlich sind und diese Unternehmen bieten  relativ wenige Produkte an. Für Unternehmen, die 100.000 Produkte in ihrem Portfolio haben, macht es weniger Sinn. Hier kommen zu viele verschiedene Fragen auf. Generell gilt: Je kleiner die Anzahl und je einfacher die Produkte eines Unternehmen, desto besser ist es für einen Chatbot geeignet.

Was sind Ihrer Meinung nach andere spannende Anwendungen für Chatbots?

Für junge Unternehmen geht es bei dem Thema vor allem um zwei Dinge: Bots, die den Großteil der täglichen Routinearbeit automatisieren auf der einen Seite und das Thema Personalisierung auf der anderen. 

In die erste Kategorie fällt beispielsweise unser Bot. Hier gibt es auch andere spannende Anwendungen wie z.B. A.xi, bei der persönliche Assistenten-Bots dabei helfen, Zeit und Ort für ein Treffen zu vereinbaren. Das funktioniert folgendermaßen: indem man den persönlichen Assistentin Amy in den E-Mails in cc setzt, ist diese mit dem eigenen Kalender verbunden. Damit übernimmt sie die Terminabsprache mit dem entsprechenden Kontakt, um eine passende Zeit und ein passendes Datum zu finden. Solche kleinen Hilfen sind meiner Meinung nach tatsächlich wertsteigernd.

Dann gibt es noch die Bots, die zur Personalisierung des Marketings verwendet werden. Ein Unternehmen könnte beispielsweise einen Chatbot für den Facebook Messenger entwickeln, mit dem es seinen Kunden personalisierte Inhalte zur Verfügung stellen kann. Der Bot erkennt dabei sofort das Profil des Kunden, mit dem er spricht und passt den Inhalt – zum Beispiel ein Sonderangebot für ein bestimmtes Produkt – entsprechend an. Am Besten funktioniert das ganze dann, wenn die Kunden das Produkt auch direkt über den Bot kaufen können.

Wie lernen Chatbots eigentlich Fragen zu beantworten? 

Ich kann erklären, wie es bei unseren Bots der Fall ist: Bei uns passiert das teilweise automatisiert. Wir lehren unseren Bots ganz einfache Antworten auf spezifische Fragen und jedes Mal, wenn ein Support-Ticket in den Bot kommt, schlägt dieser eine Antwort vor, die dann an einen Kunden-Support-Agenten geschickt wird, um diese zu überprüfen. Wenn der Agent mit der Antwort des Chatbots einverstanden ist, leitet er sie weiter. Wenn nicht, passt er die Antwort an. Das Besondere an unseren Bots ist, dass der Chatbot durch diese Einstellung automatisch für die Zukunft lernt. Häufig müssen Bots manuell neue Antworten beigebracht werden.

Viele Chatbots haben ihre eigene Identität (Alexa, Tay, Cortana). Was ist der Vorteil davon?

Wir haben zu dieser Frage viele Tests mit Kunden durchgeführt. Dabei haben wir festgestellt, dass die überwiegende Mehrheit dafür ist, dass ihre virtuellen Assistenten unterschiedliche Identitäten haben. Das bedeutet aber unter keinen Umständen, dass diese die Kunden anlügen und so tun sollten, als wäre es ein Live-Chat. Kunden müssen ganz klar erkennen, dass sie mit einem virtuellen Assistenten sprechen und dass sie ihre Fragen daher am besten kurz und bündig stellen sollten, damit der Chatbot den Inhalt erkennen kann. 

Sollten sich Mitarbeiter Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen?

Nein! Wir haben sehr deutlich gezeigt, dass Bots sehr gut darin sind, Standardfragen zu beantworten – aber das ist auch eine Arbeit, die sich eh kein Mitarbeiter wünscht. Die Mitarbeiter sollten die komplexeren Fälle übernehmen. Chatbots würde ich eher als zusätzliche Hilfe zur Verwaltung der Arbeitslast ansehen.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Chatbots aus?

Unternehmen, die erst dachten, man könne Chatbots für fast alles benutzen und einfach integrieren, sind eines Besseren belehrt worden. Mittlerweile stellen sich Unternehmen vor dem Einsatz von Chatbots erst einmal die Frage, inwiefern diese von echtem Wert sein können. Die Zukunft sehe ich in diskreteren, wertschöpfenden Chatbots für Unternehmen.

Vielen Dank für das Interview!

E-bot7 erhielt kürzlich ein sechsstelliges Investment der Commerzbank und wurde auf dem CCW-Kundendienstkongress mit dem Innovative Technology Award ausgezeichnet. Anfang März wurden sie vom Impact Accelerator ausgewählt, am Impact Growth Programm teilzunehmen und erhielten 100.000 Euro Accelerator-Funding.

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Xaver Lehmann ist Managing Direktor und Mitgründer des mit Preisen ausgezeichneten Customer Service Chatbot Unternehmens e-bot7. Er ist Mitgründer und Herausgeber von www.chatbotnewsdaily.com, worauf Unternehmen über neue Entwicklungen der Industrie auf dem Laufenden gehalten werden. Außerdem ist Xaver Lehmann Gründungsmitglied des Deutschen Künstlichen-Inteligenz Verbandes e.V.

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