Unterschätzen Marken die Generation 50plus?

Die über 50-Jährigen sind eine attraktive Zielgruppe, denn sie verdienen gut, sind konsumfreudig und durchaus leicht erreichbar. Und dennoch gelingt es den Marken zunehmend nicht, diese effektiv anzusprechen. Wir werfen einen Blick darauf, warum Marketer diese Zielgruppe niemals vernachlässigen sollten und geben Empfehlungen, wie sie ihr Marketing inklusiver gestalten können.

50plus – eine wirtschaftlich starke Gruppe

Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung sind circa 45% aller Deutschen über 50 Jahre alt, Tendenz steigend. Ältere Menschen werden zwischen 2015 und 2030 voraussichtlich die Hälfte des gesamten urbanen Konsumwachstums generieren. Für Marken bietet diese Gruppe ein großes Umsatzpotenzial.

Der größte Konsumimpuls geht von der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen aus. Laut des Instituts der Deutschen Wirtschaft geben diese Haushalte pro Monat über 4,4 Milliarden Euro für Restaurants, Hotels, Freizeit- und Kultureinrichtungen aus. Das entspricht gut einem Viertel des Gesamtkonsums. Es überrascht daher nicht, dass das Durchschnittseinkommen der Fünfzig- und Sechzigjährigen höher ist als das jeder anderen Altersgruppe (ca. 58.000 Euro pro Jahr, im Vergleich zu durchschnittlich 45.000 Euro bei den 30-Jährigen).

Starke Mediennutzer

Ältere Menschen sind auch begeisterte Mediennutzer, so dass sie für Marketingfachleute leicht zu erreichen sind. Die AGF Videoforschung GmbH hat für die Jahre 2019 und 2020 die durchschnittliche tägliche Fernsehdauer von Menschen verschiedener Altersgruppen untersucht und festgestellt, dass die über 50-Jährigen durchschnittlich 335 Minuten täglich fernsehen – deutlich mehr als jede andere Altersgruppe.  

Auch ihre Online-Präsenz hat stark zugenommen. Facebook ist das beliebteste soziale Netzwerk in dieser Altersgruppe. Die Meaningful-Brands-Studie von Havas aus dem Jahr 2018 ergab, dass die Online-Präsenz der über 55-Jährigen massiv zugenommen hat und 68 % von ihnen jeden Monat auch online etwas kaufen.

Warum sprechen Marken die Generation 50plus nicht erfolgreicher an?

Trotz des Potenzials dieser Altersgruppe sind Menschen über 50 häufig für viele Unternehmen so gut wie unsichtbar. Nur schätzungsweise 5 – 10 % der Marketingbudgets werden dafür aufgewendet, diese Gruppe für sich zu gewinnen, dabei erscheinen ältere Menschen in der Werbung auch oft in keinem guten Licht. Laut der AARP (früher American Association of Retired Persons) werden über 50-Jährige in 28 % der Fälle negativ dargestellt, während dies bei jüngeren Menschen nur in 4 % der Fälle so ist. Bilder jüngerer Erwachsener sind oft vielfältiger und lebendiger, während sieben von zehn Bildern Menschen über 50 in isolierten Situationen zeigen – oft sitzend, allein, mit einem Partner oder mit medizinischem Fachpersonal, das sie pflegt.  

Natürlich gibt es auch einige bemerkenswerte Ausnahmen. L’Oréal Paris wure gelobt, als das Unternehmen eine Sonderausgabe der monatlich erscheinenden britischen Vogue nutzte, um für ein positives Altersbild zu werben und die britischen Verbraucher:innen wieder anzusprechen. Die Ausgabe erhielt mehr Aufmerksamkeit als jede andere September-Ausgabe zuvor, die Modezeitschrift durfte sich über 40.000 neue Leser:innen freuen. L’Oréal hat eine stolze Geschichte, was den Einsatz älterer Botschafterinnen wie Jane Fonda und Helen Mirren für die Vermarktung seiner Schönheitsprodukte angeht. Die „Grow Up“-Kampagne von Mercedes aus dem Jahr 2017 konzentrierte sich auf die verschiedenen Generationen, mit Kurzfilmen von „Get a Job“ bis „Be a Good Parent“ über einen alternden Boomer, der die künstlerischen Aktivitäten seines erwachsenen Sohnes zu schätzen weiß.  

Die Konzentration auf jüngere Menschen war viele Jahre eine berechtigte und nachvollziehbare Strategie. Studien haben oft gezeigt, dass jüngere Menschen offener für neue Marken und Produkttypen sind, während ältere Menschen lieber bei ihrer traditionellen Auswahl bleiben. Aber die neuesten Forschungen zeigen, dass die über 50-Jährigen keineswegs in ihren Gewohnheiten gefangen sind. Laut Forrester Research sagen 39 % der 54- bis 63-Jährigen, dass sie „gerne neue Marken oder Produkte ausprobieren”.

Tatsache ist, dass das Alter für Werbetreibende nach wie vor eine wichtige demografische Komponente ist, wenn es um die Festlegung der Zielgruppe geht und meistens haben Marketer eine sehr feste Vorstellung davon, welche Produkte für welches Alter geeignet sind. Aber im wirklichen Leben ist das Alter nur ein Teil der Geschichte. Viele Interessen und Trends sind völlig altersunabhängig. Marketer werden sich dieser Tatsache bisher nur langsam bewusst. Darüber hinaus sprechen viele Beobachter mittlerweile sogar von Altersdiskriminierung in den Marketingabteilungen und Werbeagenturen, da nur selten Menschen über 45 angestellt sind.  

Marketing für die Ü50-Zielgruppe – eine Chance

Die Einbindung der Kunden:innen ist in diesem Jahr ein zentrales Thema im Marketing. Die Gespräche zwischen Marke und Verbraucher:innen sind nicht mehr einseitig. Marken ermutigen, sich mit anderen über ihre Erfahrungen auszutauschen, Inhalte zu teilen, Online-Rezensionen zu Produkten zu schreiben und an der Gestaltung von Produkten mitzuwirken.  

Was hat das mit der Ü50 Zielgruppe zu tun? In ihrer Studie „2021 Global Marketing Trends“ hat Deloitte festgestellt, dass ältere Menschen eine Schlüsselrolle bei diesem Trend spielen. Die Studie ergab, dass jüngere Generationen am häufigsten mit Marken interagieren, für ältere Generationen spielt hingegen Leidenschaft eine viel größere Rolle, wenn sie teilnehmen. Über alle Formen des Engagements hinweg stimmten die 18- bis 25-Jährigen zu, dass Leidenschaft in 54% bis 65% der Fälle wichtig ist. Im Vergleich dazu gaben die über 46-Jährigen an, dass Leidenschaft in 76% bis 85 % der Fälle eine Rolle spielt.

Fazit: Wenn Marken leidenschaftliche Fürsprecher:innen gewinnen wollen, sollten sie sich an ihren älteren Kundenstamm wenden.

Marken-Interaktionen nach Altersgruppen
Quelle: Deloitte

Der Fehler der Unternehmen besteht darin, dass sie ältere Verbraucher:innen als eine einzige Gruppe betrachten. Aber genau wie jüngere Menschen haben auch ältere Menschen ein breites Spektrum an Einstellungen, Verhaltensweisen und Interessen. Das ändert sich auch nicht, wenn diese älter werden. Aus diesem Grund wird eine Marktsegmentierung auf der Grundlage des biologischen Alters immer schwieriger, wenn nicht sogar sinnlos.

Beim Marketing für ältere Personengruppen geht es vor allem um Inklusivität. Das bedeutet,ältere Menschen nicht auszuschließen, sie also gemeinsam mit anderen Altersgruppen aktiv anzusprechen. Es geht nicht nur darum, Bilder älterer Menschen, größere Schrift in Kampagnen oder ein einfacheres Online-Zahlungsverfahren zu verwenden (obwohl dies oft wichtig ist). Es geht darum zu erkennen, dass ältere Menschen andere Verbraucherwerte haben. Sie lassen sich zum Beispiel weniger von ihrer Peer-Group beeinflussen. Sie achten auch weniger auf den Preis als vielmehr auf den Mehrwert. Sie brauchen viel länger, um einen Kauf zu tätigen und verstehen Verkaufstaktiken. Es ist wichtig, all dies bei der Ausarbeitung von Marketingkampagnen zu berücksichtigen.  

Konzentrieren Sie sich darauf, ältere Kund:innen zu begeistern; sie werden es den Marken, denen sie positiv gegenüberstehen, mit leidenschaftlicher Teilnahme und Loyalität danken.  

Fazit: Niemals die Ü50-Generation ignorieren

Die Altersgruppe ü50 ist eine extrem starke Verbrauchergruppe, die Marken oft fahrlässig ignorieren. Allein ihre Kaufkraft und die Leidenschaft, mit der sie für ihre Lieblingsmarken schwärmen, sollte Unternehmen aufhorchen lassen. Trotzdem haben Marketer noch einen weiten Weg vor sich, um das Potenzial dieser Gruppe voll auszuschöpfen. Marketer sollten die grobe Alterssegmentierung aufgeben und einen inklusiveren Ansatz verwenden.  

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Katherine Diggory ist ausgewiesene Marketing- und Kommunikationsexpertin. Sie verantwortete politische Kampagnen wie für den ehemaligen Außenminister Bill Rammell der Labour Partei und leitete die Kommunikations- und Wahlkampfstrategien für weitere führende Abgeordnete der Labour Party. Von 2012 - 2015 war Katherine für das Konzept und die …

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