Medien begleiten die Menschen durch den Tag und erfüllen dabei verschiedene Funktionen. Soweit nichts Neues. Spannend wird es, wenn man sich ansieht, wie sich dieses Verhältnis im Tagesverlauf ändert. Eine neue Studie des Consumer Insights Teams der Seven.One Entertainment Group zeigt, dass Bewegtbilder (vor allem lineares TV und SVoD) am frühen Abend den Übergang zwischen Arbeit und Freizeit erleichtern. Dies bietet auch wichtige Learnings für Werbetreibende.
Was passiert am Vorabend?
Welche Rolle der Vorabend im Tagesablauf einnimmt, steckt schon im Wort: Vor-abend. Noch nicht abends, sondern eine Vorstufe: etwas, das dem Abend voransteht, eine Übergangsphase. Insbesondere ein Rollenwechsel beschreibt diesen Übergang: Leute gehen von einer „Tagesrolle“ (die häufig vom Beruf oder anderen Tagestätigkeiten geprägt wird) in eine „private Rolle“ über, in der sie z. B. mit ihren Liebsten zusammenkommen und nun vor allem Partner:in, Vater, Tochter oder einfach nur Mensch sind.
Was dabei psychologisch passiert, lässt sich als Verarbeitungsprozess beschreiben: Die Menschen wollen ihre private Rolle nicht mit Alltagsfrustrationen aus der Tagesrolle beeinflussen; solche Anspannungen müssen sie also hinter sich lassen, sprich: verarbeiten. Das Ziel ist eine befreite, entspannte Belohnungsritual, die oft durch den „heiligen“ Wohlfühlort, die Couch symbolisiert wird und mit der Zeit korreliert, die TV-Macher als Primetime bezeichnen (mitunter gelernt durch die strukturprägende Programmierung von Nachrichten und Hauptabendformaten ab 20 Uhr).
Zum Verarbeiten werden verschiedene Strategien angewendet. „Kopf aus, Erholung an“ beschreibt das mentale Abschütteln, Sich-Lösen und Distanzieren von der Tagesrolle; „Ablenkung“ eine eher aktive Strategie, bei der sich durch (Hausarbeits-)Tätigkeiten mit anderen Dingen beschäftigt wird; „Trost“ eine Stabilisierung, indem sich gezielt mit Vertrautem und „Normalem“ umgeben wird. Zentraler Bestandteil dabei ist ein bewusster Abschluss mit dem Tag („Kontrolle wiedergewinnen“), indem beschloßen wird, von nun an nicht mehr für Welt, Job oder Haushalt zur Verfügung zu stehen.
Wenn sie sich dieses innerliche „Geschafft!“ zujubeln (oder, je nach Tagesform, seufzen), haben sie den Tag bewältigt; der Übergang ist abgeschlossen.
Bewegtbildangebote als Begleiter
Mit dieser Verfassung im Hinterkopf lässt sich ableiten, was Medienangebote zur Access-Zeit bieten müssen, um Zuschauer:innen bei diesem Prozess zu begleiten. Ob es das Magazin ist, das mit unverfänglichen Ablenkungsangeboten kleine Impulse für das Zusammenfinden mit den Liebsten setzt; die lieb gewonnene Serie, in der weniger die Handlungsstränge, sondern vielmehr die vertrauten Gesichter zum Ankommen und Wohlfühlen einladen; oder die Quizshow, die quasi im Sekundentakt mit Wissenshäppchen belohnt, selbst wenn man nebenbei am Smartphone hängt oder den Abwasch erledigt.
Die Beispiele zeigen: Das TV-Gerät mag zu dieser Zeit nicht durchgehend im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Seine Funktion ist dennoch eine essenzielle: es ist Begleiter und gewissermaßen „Schmiermittel“, das beim Abstreifen des Tages und beim Hineingleiten in den wohlverdienten Feierabend unterstützt. Lineare TV-Programme haben mit ihrem psychologisch unaufwändigen, verlässlichen und strukturgebenden Content unique Qualitäten, um die Begleiterfunktion zu erfüllen; nichtlineare Angebote spielen ihre Stärken aus, wenn spezifischer Wohlfühl-Content gesucht wird (z. B. bekannte Folgen geliebter Serien zum „comfort binge“) oder man früher von Arbeit zu Freizeit wechselt und nicht „warten“ möchte, bis das lineare TV um 20:15 Uhr die Konfettikanonen abfeuert.
Diese Studie zeigt, dass das Fernsehen am frühen Abend eine wichtige Rolle spielt – sowohl für die Zuschauer als auch für Werbetreibenden.