Alle schauen Netflix, oder? 

In den vergangenen Jahren ist der Markt für Subscription-Video-on-Demand (SVOD) rasant gewachsen, allein in Deutschland setzten kostenpflichtige Streamingdienste wie Netflix im vergangenen Jahr über 2 Milliarden Euro um. Es gibt nun jedoch Anzeichen, dass das SVOD-Wachstum nicht so linear verläuft, wie bisher gedacht und der Markt nun an seine Sättigungsgrenze stößt. Wir werfen einen Blick darauf.  

SVOD-Nutzung entwickelt sich nicht linear, sondern in Zyklen 

Das Research Team der Seven.One Entertainment Group GmbH trackt die Entwicklung der SVOD-Nutzung seit 2015 mit dem ViewTime Report. Dabei zeigen sich interessante Verlaufsmuster, die wichtige Erkenntnisse liefern, wie die Menschen SVOD nutzen. 

Dabei untersuchte man zwei Altersgruppen, die 14- bis 29-Jährigen und die 30- bis 49-Jährigen. Betrachtet man die prozentuale Reichweite der Streamingdienste, so zeigen die Grafiken das deutliche Wachstum seit 2015 in beiden Altersgruppen. Interessant dabei: Bei beiden Zielgruppen zeigen sich aktuell Sättigungstendenzen bei der Reichweite. 

Report SVOD
* kostenpflichtige Onlinevideos inkl. TVOD (mit transaktionaler Abrechnung), was jedoch nur einen geringen Nutzungsanteil hat
Quelle: ViewTime Report 2021, forsa; GfK SVOD-Tracker  

Aber auch wenn man Streaming-Anbieter wie Netflix, Amazon Prime oder Disney+ abonniert hat, bedeutet das nicht, dass man diese jeden Tag intensiv nutzt. Vor allem zu Beginn eines Abonnements, halten sich die Nutzer:innen zunächst zurück, wie differenzierte Analysen der Seven.One Entertainment Group GmbH zeigen. Die Nutzungsintensität nimmt also in der Regel leicht versetzt zur Reichweite zu. Neu hinzukommende Nutzer:innen steigen oftmals mit einer etwas niedriger Nutzungsintensität ein, finden dann Gefallen an den Angeboten und intensivieren sukzessive ihre Nutzung.  

Ein Beispiel dafür: Bei den 30- bis 49-Jährigen wuchs die Reichweite lange Zeit kontinuierlich, bevor sie zu Beginn der Pandemie einen Schub erhielt. Die Nutzungsintensität legte dann, nach einer Plateau-Phase, zeitversetzt im dritten Quartal 2020 zu, als “Lucifer” (Amazon Prime Video) und “The Blacklist” (Netflix) mit jeweils neuen Staffeln lockten. Die Nutzungsintensität von SVOD ist oft stark von einzelnen Erfolgstiteln abhängig. 

Netflix verliert Abonnenten  

Jüngste Berichte weisen darauf hin, dass sich das SVOD-Wachstum von den großen Streaming-Diensten verlangsamt. Im April 2022 hat der Branchenriese Netflix gemeldet, dass die Zahl der Abonnenten im ersten Quartal erstmals seit mehr als zehn Jahren gesunken ist. Die Zahl der Bezahlabos ging unter dem Strich um 200.000 zurück, der Aktienkurs des börsennotierten US-Unternehmens brach daraufhin um 35 % ein. Und Netflix befürchtet, dass noch mehr Menschen die Plattform verlassen werden. Was also hat diesen Rückgang verursacht und wohin gehen die Netflix-Abonnenten? 

Höhere Kosten zwingen die Menschen, ihr Abonnement zu kündigen 

Der Anstieg der Lebenshaltungskosten trifft Nutzer:innen aller Altersgruppen. Wenn die Kosten auf breiter Front steigen, ist es nachvollziehbar, dass die Menschen ihre Ausgaben für nicht lebensnotwendige Dinge wie Streaming-Abonnements reduzieren, um Geld zu sparen.    

Umso mehr tut es weh, wenn der Abonnementpreis steigt. In den Vereinigten Staaten und Kanada beschloss Netflix Anfang 2022, die Preise zu erhöhen. Angesichts der höheren Kosten haben viele Abonnent:innen ihre Netflix-Konten gekündigt. Netflix gibt an, dass 600.000 Abonnent:innen in Nordamerika nach der Preiserhöhung ab Januar 2022 gekündigt haben. 

Verstärkte Konkurrenz von neuen Streaming-Anbietern 

Die Streaming-Landschaft hat sich deutlich verändert. Netflix sieht sich daher einem zunehmend stärkeren Konkurrenzkampf mit neuen Anbietern ausgesetzt. Eine Tatsache, die das Unternehmen in seinem Brief an die Aktionäre anerkennt: 

“In den letzten drei Jahren, als die traditionellen Unterhaltungsunternehmen erkannt haben, dass Streaming die Zukunft ist, sind auch viele neue Streaming-Dienste auf den Markt gekommen.” 

Diese anderen Streaming-Dienste produzieren ebenfalls qualitativ hochwertige Sendungen. Da es für die/den Durchschnittszuschauer:in vor allem um Content geht, fällt eine direkte Wahl zwischen den verschiedenen Streaming-Diensten immer schwerer. 

Der Trend, dass sich die Marktanteile auf mehr Streaming-Dienste verteilen, wird auch durch den ViewTime Report bestätigt. Dieser zeigt, dass Netflix zwar mit 65 % weiterhin führender Anbieter am deutschen VOD-Markt ist, der Marktanteil ist jedoch rückläufig (2020: 77 %). 

Jüngere Menschen verlieren das Interesse 

Netflix hat schon immer ein jüngeres Publikum gut angesprochen, aber mittlerweile sind nun in einigen reifen Märkten zum ersten Mal die 24- bis 44-Jährigen die wichtigste Abonnentengruppe, nicht mehr die 18- bis 24-Jährigen. Dazu kommt: Wenn Netflix das Account-Sharing einschränkt (was nach eigenen Angaben möglich ist), dürfte dies vor allem die Jüngeren treffen, die es gewohnt sind, die Netflix-Zugänge gemeinsam zu nutzen, da ihnen nicht so viel Geld zur Verfügung steht. 

Wenn es um junge Menschen geht, sehen einige Kommentatoren die Bedrohung für Netflix nicht in erster Linie durch andere Streamingdienste, sondern eher durch YouTube und TikTok.  

„Wenn es zu einer Abrechnung kommt, dann deshalb, weil alle neuen Daten darauf hindeuten, dass Millennials und Gen Z nicht nur weniger an Streaming-TV und -Filmen interessiert sind als die vorherige Generation, sondern auch mehr Inhalte auf YouTube und TikTok konsumieren“, sagte Andrew A. Rosen, Gründer des Streaming-Service-Analysten PARQOR.  

Netflix ist zwar immer noch Marktführer im Bereich SVOD, aber seine beherrschende Position ist in Gefahr. Die Reaktion? Netflix will gegen Account-sharing vorgehen und in den nächsten 1 bis 2 Jahren ein kostengünstigeres, werbefinanziertes Angebot testen. 

Fazit 

SVOD hat die Art und Weise, wie wir fernsehen, verändert und spielt eine große Rolle in unserem Leben. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich das SVOD-Wachstum nicht linear, sondern in Zyklen entwickelt. Während die Pandemie das Wachstum erheblich beschleunigte, sieht es nun so aus, als ob das Reichweitenwachstum den Sättigungspunkt erreicht hat. Die rückläufigen Abo-Zahlen von Netflix sind ein erster Beleg dafür. 

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