Die grundlegenden Komponenten des Erzählens mögen sich zwar im Laufe der Menschheitsgeschichte kaum verändert haben, die Storytelling Trends entwickeln sich jedoch ständig weiter. Im dritten Teil unserer Reihe Storytelling im Marketing werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Neuerungen, Weiterentwicklungen und künftigen Innovationen.
1. Datengesteuertes Storytelling
Nutzer*innen-Daten lassen sich verwenden, um herauszufinden, wofür sich die Kundschaft und Zielgruppen interessieren. Auf dieser Grundlage können Marketing-Abteilungen eine Geschichte erzählen, die das Publikum und deren Interessen gezielt anspricht. Darüber hinaus können Daten, also Statistiken, Zahlen, Fakten etc., auch in eine Geschichte integriert werden, ohne dass die Kampagne bzw. die Erzählung zu trocken gerät. Hierbei kann es sich beispielsweise um eine Anekdote oder ein gesellschaftliches Problem handeln, bei dem das Produkt der Marke helfen kann.
Geschichten, die Statistiken und Zahlen nutzen, eignen sich bestens für Marken wie Spotify. Deren Geschäftsmodell besteht unter anderem darin, Kundeninformationen zu sammeln. Diese Daten nutzt der Streamingdienst einerseits für personalisierte Werbung, andererseits, um seinen Abonnent:innen Musik vorzuschlagen, die ihnen gefallen könnte. Bei dem Jahresrückblick „Spotify Wrapped“ informiert der Streaming-Dienst User*innen darüber, welche Audioinhalte besonders häufig konsumiert haben und bindet diese Lieder in kleine Storys ein. Spotify macht somit sein Angebot und seine Kundschaft zum Zentrum des Geschehens. Mit Erfolg: Laut Twitter wurde Spotify Wrapped 2019 in mindestens 1,2 Millionen Posts genannt. 2020 bescherte der Jahresrückblick dem Unternehmen einen Anstieg der Mobile-App-Downloads um 21 Prozent.
2. Kundengesteuerte Storys
Schon 2012 fand das Marktforschungsunternehmen Nielsen heraus, dass 92 Prozent der Verbraucher*innen Mund-zu-Mund-Propaganda sowie Empfehlungen von Freunden und Familie mehr vertrauen als jeglichen Werbeformen. Warum sich diesen Umstand also nicht mit entsprechenden Geschichten zunutze machen und Kund*innen selbst ihre Erfahrungen mit der Marke teilen lassen? Unternehmen können ihre Zielgruppe also bitten, ihre eigene Story über das angebotene Produkt zu erzählen.
Der Kamera-Hersteller GoPro baut beispielsweise schon seit seinen Anfangsjahren auf usergenerierte Videoerzählungen. Das begann mit dem Gründer Nick Woodman, der 2004 eine preiswerte wasserdichte Kamera erfand, um sich selbst beim Surfen zu filmen und rief eine fest umrissene Zielgruppe von Sportlern, Hobbyfilmern und Draufgängern dazu auf, diesem Beispiel zu folgen und ihre kreativen sportlichen Ideen filmisch mit der praktischen Kamera umzusetzen. Die inzwischen milliardenschwere Marke sammelte diese Videos und stellte sie unter anderem auf ihrem Youtube-Kanal zusammen.
3. Podcast-Erzählungen
Podcasts erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und können als Basis für lange Erzählungen dienen, die sich über mehrere Episoden verteilen lassen. Auch kürzere Geschichten über eine oder zwei Episoden sind möglich. Produzent:innen eines Podcasts sind inhaltlich und formal kaum Grenzen gesetzt. Der Podcast des Instant-Messaging-Dienstes Slack beinhaltet beispielsweise zahlreiche Einzelstorys über erfolgreiche Unternehmen sowie das Arbeiten und die Kommunikation in modernen Büros.
„Hypnopolis“, der Originalpodcast des Autoherstellers BMW, erzählt dagegen eine Geschichte über die fiktionale Protagonistin Hope Reiser, die nach einem 30-jährigen Koma im Jahr 2063 aufwacht. Sie wurde eines Mordes angeklagt und versucht nun, ihre Unschuld zu beweisen – anstatt konkreter Anspielungen auf die produzierende Automarke werden nur versteckte Hinweise auf das Unternehmen eingestreut.
Das „Coronavirus Update“ des NDR mit dem Virologen Pro. Dr. Christian Drosten ist eines der erfolgreichsten Podcast-Formate seit Beginn der Corona-Pandemie. Neben Podcasts pusht die Krise auditives Storytelling wie noch nie zuvor: Live-Streams, Hörspiele, Hörbücher oder Bildungsformate – Audio ist angesagt. Die Herausforderungen für Marketing- und Content-Expert:innen liegen dabei ganz klar in der Konzeption. Aufmerksamkeit muss her. Audio ist ein Nebenbeimedium, bei dem im Gegensatz zu Video der visuelle Reiz fehlt. Das Storytelling muss daher speziell für den Sinn Hören entwickelt werden.
4. Video-Storytelling & Social Media
Video-Storytelling, aber auch Blogging bzw. Mikroblogging sowie Fotografie: alles beliebte Storytelling Tools. Gleichzeitig besitzen visuelle Marketing-Storys im TV weiterhin eine große Relevanz, lassen sich im Internet fortsetzen oder beispielsweise bei YouTube in Form von kurzen Ausschnitten oder Clips weiterverwerten, die wiederum über Social Media geteilt werden können. Die Grenzen zwischen den einzelnen Plattformen sind heute fließend. Visuelles Storytelling ist und bleibt die stärkste Form, um auf eine Marke aufmerksam zu machen. Definitiv ein Trend, der auch in Zukunft nicht an Relevanz verlieren wird.
Storytelling in der Werbung
Was macht einen „guten“ Werbespot eigentlich aus? Die Dos und Don’ts erfolgreicher Spotkreation zusammengefasst in einer umfangreichen Studie der Seven.One Media
Social Media eignet sich eher für kurze Erzählformen und Videos, die keine langen Aufmerksamkeitsspannen erfordern. Der US-Shop für Fitness-Accessoires Gymshark veröffentlicht auf seinen TikTok-Channel z.B. kurze Workout Challenges und inspirierende Fitness- bzw. Gesundheitsgeschichten und bindet eine potenzielle Kundschaft mithilfe von Content ein, der von User*innen generiert wurde. LEGO nutzt Instagram, um die breite Star Wars-Fanbasis anzusprechen und erzählt die letzten Episoden der Science-Fiction-Saga auf einzigartige Lego-Art nach.
5. AR, VR und 360-Grad-Videos
Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und 360-Grad-Videos haben in den letzten Jahren immense technologische Fortschritte gemacht. Als Technologie, die dem Publikum das Gefühl gibt, sich mitten im Geschehen zu befinden, eignet sie sich perfekt für eine immersive Marketingerzählung, die User*innen unterhält, informiert und das Markenbewusstsein steigert. Diese neuen Realitäten ermöglicht es der Kundschaft auf Erlebnisse zu reagieren und Bestandteil davon zu werden, anstatt nur passiver Beobachter:inn zu sein.
National Geographic gibt seinem Publikum mit seinem 360-Grad-Videos z.B. etwas mehr Kontrolle darüber, was sie von den verschiedenen gefilmten Plätzen der Welt sehen. Hierbei kann es sich um eine Tiefseereise handeln oder um eine Expedition auf Kanadas wilden Flüssen.
Der Pay-TV-Sender Sky erschuf eine furchteinflößende AR-Zombie-Erfahrung an einer Bushaltestelle, um für die Serie „The Walking Dead“ zu werben.
6. Livestreaming
Das Livestreaming über YouTube, Twitch, Instagram, TikTok oder Facebook bringt mehr Spontanität, Interaktivität (z.B. kann das Publikum einen Chat nutzen) und Authentizität mit sich als die meisten geschriebenen und vorproduzierten Marketing-Storys. Das Format hat viel Potenzial, wie z.B. viele Gamer*innen auf Twitch beweisen, die ein großes Publikum anziehen. Ein Livestream kann Interviews mit der Belegschaft, das Unternehmen bei der Arbeit oder ein großes Marken-Event zeigen.
Das Magazin Bon Appetit produzierte die „BA Test Kitchen Variety Show“. Hierbei handelte es sich um eine lockere Liveübertragung aus den Küchen, Wohnzimmern und Esszimmern von mehreren Mitarbeiter*innen mit Spielen, Kochwettbewerben und Cocktails. Dieser Livestream diente einerseits als spaßige Selbstpromotion, andererseits als Spendenaktion, um Bedürftigen während der Covid-19-Pandemie zu helfen.
Fazit:
Klassisches Storytelling, in der das Publikum eine eher passive Rolle einnimmt, ist zwar immer noch von Bedeutung, viele neue Technologien und Marketing-Geschichten möchten die Konsument:innen aber mehr in das Geschehen einbinden und die Zielgruppe in den Mittelpunkt rücken. Marketing-Abteilungen können diesen Trend, neue Technologien sowie Zugang zu Daten von Kund*innen nutzen, um ihrer Zielgruppe mehr Kontrolle über die Erzählungen zu geben und aktiver mit der erzählten Markengeschichte zu interagieren.