Die Storytelling-Strategie der Lufthansa

Welche Geschichte muss eine Fluggesellschaft erzählen, wenn der Traum vom Fliegen ausgeträumt ist? Benita Struve, Marketingleiterin bei der Deutschen Lufthansa, erklärt, wie die Lufthansa über Storytelling ein neues Lebensgefühl erschafft.

Wie sieht gutes Storytelling im Marketing aus?

Gutes Storytelling berührt die Menschen. Es verbindet das Produkt mit Emotionen und verleiht dadurch der Kommunikation die notwendige Relevanz, aus der Masse an Werbebotschaften herauszustechen. Die Geschichten müssen vor allem glaubwürdig und authentisch erzählt sein. Sie kommen idealerweise direkt aus dem Kern der Marke und können als Kurz- oder Langformat erzählt werden. Damit Geschichten in unterschiedlichen Kanälen und in verschiedenen Formaten ihre Kraft entfalten können, ist es wichtig, die Media-Strategie an der Storyauszurichten.

Im aktuellen zweiten Flight der Kampagne „Life Changing Places“ geht es um Offenheit der Welt gegenüber. Bei „Regrets“ ist es die verpasste Chance. Welche Art der Story kommt beim Konsumenten am besten an?

Die Kampagnen leben von ihrer Vielfalt. Erst durch die emotionale Bandbreite der Geschichten haben sich viele Menschen damit identifizieren können. Wir erzählen Geschichten von Menschen, die zu Orten gereist sind, die ihr Leben verändert haben. Dabei haben wir verschiedene Themenfelder wie Musik, Essen und Abenteuer abgedeckt, um eine Breite an Inspirationen zu bieten. Diese Vielfalt erlaubt auch eine maßgeschneiderte Mediastrategie. Die Reihenfolge der Stories wurde basierend auf den unterschiedlichen Präferenzen unserer Zielgruppen ausgesteuert.

Wäre heute ein relativ simpler Spot vorstellbar, wie er in den Neunzigern bei Lufthansa mit „Wolken“ lief?

Eher nicht. Wobei die simple Bild-Idee „Über den Wolken“ nicht der Grund ist. Es ist die Botschaft, die nicht mehr in die heutige Zeit passt: Diesem Film fehlt die Passagier-Mensch-Perspektive, er stellt zu stark das Unternehmen in den Mittelpunkt. Auch ist das Fliegen heute kein Traum mehr, sondern selbstverständlich. Deshalb liefert er nach heutigen Anforderungen auch keinen hinreichenden Grund mehr, sich für die Lufthansa zu interessieren. Aus der handwerklichen Perspektive bietet dieser Spot auch zu wenig Substanz, um in den digitalen Medien Reichweite zu erzielen.

Wie gelingt es heute, eine Kampagne auf andere Kanäle zu verlängern?

Uns geht es nicht um eine reine Verlängerung der Kampagne, sondern wir nutzen weitere Kanäle, um die Stories zu vertiefen. Zum Beispiel durch Podcasts, mit denen wir mehr Informationen über den Protagonisten und den Ort erzählen können. Der User hat auch die Möglichkeit, seinen eigenen Life Changing Place über unser digitales Inspiration Tool zu entdecken – und auch gleich einen Flug dahin zu buchen.

Welche Marketingeffekte erzielt die Kampagne „Life Changing Places“?

Die Marke wird mit der Kampagne kultivierter und warmherziger wahrgenommen. Aus unserer Marktforschung wissen wir außerdem, dass die Kampagne die Sicht auf die Marke Lufthansa modernisiert hat: So steigern sich nach Kampagnenkontakt die Zustimmungswerte bei der Frage „Lufthansa gibt mir den Impuls, neue Erfahrungen zu machen“ um 15 Prozentpunkte und bei „Lufthansa inspiriert zu Reisen“ um 13 Prozentpunkte.

Wie gelingt es mit der Kampagne „Life Changing Places“ eine Traditionsmarke neu zu etablieren?

Zum einen thematisiert die Kampagne ein neues Reiseverständnis. In Zeiten, wo wir alles haben, stellt sich die Frage was ist eigentlich das Besondere am Reisen und warum reisen wir so gerne? Reisen ist immer weniger ein touristisches Erlebnis, sondern hat viel mehr mit Selbsterfahrung zu tun. Eine Reise soll heute eine bereichernde Erfahrung sein. Zum anderen ist die Machart und die Exekution sehr innovativ: ungewöhnliche Orte, authentische Menschen und Geschichten, die wie Premium-Journalismus gemacht sind. Dafür gibt es aber kein Flugzeug, keine Flugbegleiterin, kein Porzellan und keine Business-Klasse. Die Story ist „digital first“ gedacht, um die digitale Präsenz der Marke zu stärkenund um dort zu wirken, wo Menschen sich heute mehrheitlich zum Reisen inspirieren lassen.

Was würden Sie beim Storytelling anders machen, wenn Lufthansa eine ganz neue Marke wäre?

Eine ganz neue Marke müsste sich erstmal erklären. Eine Marke mit einer so reichen Tradition wie Lufthansa muss das nicht. Wir wollen inspirieren, unsere Haltung zeigen und die Beziehung zu unseren bestehenden Gästen ausbauen.

Teilen

Avatar-Foto

Benita Struve ist seit 2016 Leiterin Lufthansa Marketing Communication und Campaign und ist damit für die Entwicklung und Konzeption von nationalen und internationalen Marketingkampagnen verantwortlich. Sie arbeitet seit 2000 in der Lufthansa-Kommunikation, zunächst als Senior Director Group Brandmanagement and Advertising. Ihre vorherigen Stationen: die Werbeagenturen …

Das könnte dich auch interessieren