Wie sieht das Sportmarketing im Jahr 2020 aus?

Da fast jede Sportveranstaltung aufgrund der Corona-Krise abgesagt, verlegt oder verschoben wurde, steht die Sportwelt vor einer großen Herausforderung. Die Vermarkter müssen kreativ sein und sich der Zeit anpassen, sagt Stefan Zant, Geschäftsführer und Mitgründer der ProSiebenSat.1 Sports GmbH, im Interview mit The Restless CMO.

Seit drei Monaten leidet das Sportmarketing schon unter dem flächendeckenden Ausfall von Sportveranstaltungen. Wie hast Du diese Zeit bisher erlebt und was ist der aktuelle Stand in der Branche?

Solche Zeiten hat die Sportindustrie noch nie erlebt. Zuerst waren alle schockiert, dann fingen sie an zu reagieren. 2020 wäre wirklich ein wichtiges Sportjahr mit Großereignissen wie den Olympischen Spielen und der Fußball-Europameisterschaft gewesen, aber mit der Verschiebung dieser Events wurden auch die Pläne der Werbetreibenden komplett auf den Kopf gestellt. Die meisten Unternehmen haben folglich alle Marketingpläne im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen und der Euro 2020 auf das nächste Jahr verschoben. Was den Sport anbelangt, so hat die Branche schon nach kurzer Zeit begonnen, das Beste aus der Situation zu machen – der große Gewinner war der eSport und das Gaming. Ligen aller Sportarten, von der NBA, NFL, Formel 1 bis hin zu Basketball und Handball, wollten den Fans ein alternatives Produkt anbieten, während ihr regulärer Sport eine Pause einlegte – und zwar in Form von digitalen Turnieren. Dies ist ein Zeichen der Zeit und ich gehe davon aus, dass viele von den digitalen Wettbewerben auch nach dem Ende von Corona bestehen bleiben werden.

Welche Sportarten und welche Akteure sind am meisten betroffen?

Jeder im Sport ist gleichermaßen betroffen. Es spielt keine Rolle, ob du Ronaldo oder ein lokaler Ligaspieler bist, ob du Mannschaftssport oder Einzelsport betreibst. Für die Fans bedeutet die Krise, dass ein wichtiger gesellschaftlicher Höhepunkt in ihrem Leben fehlt – ob sie nun selber an den Wochenenden Sport treiben oder den Sport im Fernsehen verfolgen. Natürlich sind kleinere Vereine durch den Mangel an Kartenverkauf und Sponsoring finanziell besonders stark betroffen. Deshalb haben wir eine Kampagne gestartet, die es kleineren, semiprofessionellen Vereinen ermöglicht, auf unserer Livestreaming-Plattform sportdeutschland.tv Kurzfilme einzustellen und zu Spenden aufzurufen. Die Aktion heißt #gemeinsamfürdensport und ist bereits ein großer Erfolg.

Die Bundesliga hat den Spielbetrieb inzwischen wieder aufgenommen, allerdings vor leeren Kulissen. Welche Bedeutung hat es für das Marketing, dass die Fans die Spiele nur im TV und nicht im Stadion verfolgen können?

Das ist meiner Meinung nach nicht von großer Bedeutung. Erstens: Die großen Werbeformate wie Trikot-, Stadion- und TV-Werbung werden genauso wahrgenommen wie zuvor. Zweitens bleibt die Reichweite gleich, denn diejenigen, die die Spiele von der Tribüne aus verfolgt hätten, sehen sich das Spiel nun stattdessen im Fernsehen an. Drittens kommt der emotionale Aspekt des Spiels zwar anders rüber, wenn keine Zuschauer im Stadion sind, aber für die Fans reicht es zu diesem Zeitpunkt aus, dass die Spiele überhaupt gespielt werden. Vielmehr wissen die Fans es jetzt noch mehr zu schätzen, nachdem sie eine Zeit ohne Sport erlebt haben.

Gibt es Vorzeige-Beispiele für kreative und alternative Kampagnen und Ideen, die trotz der Krise Fans erreichen?

Es gibt ein Zitat, das mir gut gefällt: „You can’t overtake 15 cars in sunny weather… but you can when it’s raining“ (Ayrton Senna). Das ist sicherlich wahr, wenn wir an verschiedene Marken denken und wie sie auf die Krise reagiert haben. Viele Marken haben erfolgreich völlig neue Kampagnen entwickelt, die sich von der Konkurrenz abheben und sind dadurch gewachsen. „Play inside, Play for the world“ von Nike ist ein gutes Beispiel dafür. Die Kampagne gibt den Menschen alle Mittel an die Hand, um ihren Sport zu Hause auszuüben, einschließlich Workouts im Livestream und Minisport-Challenges, die von Sportstars wie Christiano Ronaldo und Tiger Woods gefördert werden. Diesen Monat starteten wir unsere Masken-Kampagne #TEAMPLAYER, in der wir für Masken mit dem Slogan #TEAMPLAYER werben. Der Slogan bezieht sich nicht nur auf den Sport, sondern auch auf jeden, der im Interesse der sozialen Gemeinschaft eine Maske trägt, da sie andere Menschen schützt. Diese Kampagne wird von prominenten Sportlern unterstützt und wir werden die Einnahmen für einen guten Zweck spenden. 

Wie wird sich die Krise auf die Zukunft des Sportmarketings auswirken? Wird es irgendwann ein “Back to Normal” geben oder müssen grundlegende Veränderungen her?

Aufgrund der Pause hatten viele in der Branche nun die Gelegenheit darüber nachzudenken, was funktioniert und was nicht. Ich bin sicher, dass als Folge davon einige der alten Strukturen zusammenbrechen werden. Durch die Krise haben wir eine Wiederbelebung des Fernsehens erlebt. Die Werbetreibenden sind sich der Reichweite und der Macht bewusst geworden, die das Fernsehen bietet und dass es nicht sinnvoll ist, ausschließlich auf Performance-Marketing zu setzen. Der gemeinschaftsbildende Aspekt, den wir in der Krise erlebt haben, in der die Menschen zusammenhalten und sich gegenseitig helfen, kann auch für das Sportmarketing der Zukunft nützlich sein. Wie zum Beispiel in der Handball Community: Mannschaften und Fans haben versucht, dem Handball durch die Krise zu helfen, indem sie alle an einem Strang gezogen haben.

Abgesehen von Corona – welche Trends, Themen und Kanäle haben das Sportmarketing zuletzt geprägt und werden in Zukunft eine große Rolle spielen?

Aufgrund des Umbruchs im Sport sind eSport und Gaming im Moment stark im Kommen und die Vermarkter erkennen, dass die Zielgruppe eine ganz besondere ist. Wie gesagt bieten die Sportligen jetzt digitale Turniere an, weil sie in der Pause nichts anderes tun können. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zum Beispiel kündigte ein virtuelles Wohltätigkeitsturnier auf seiner neuen eFootball-Plattform an. Unter dem Motto #WePlayAtHome treten Spieler gegeneinander an und spielen FIFA 20, um Geld für einen guten Zweck zu sammeln. Auch die internationale Tourenwagenserie DTM startete ihre eigene DTM eSports Classic Challenge, bei der ehemalige und aktuelle DTM-Fahrer sowie Racing-Influencer gegen fünf Sim-Racer antreten. Ich bin überzeugt, dass diese Online-Offline-Kombination in Zukunft ein fester Bestandteil unseres sportlichen Lebens sein wird.

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Stefan Zant ist seit April 2016 Geschäftsführer (COO) bei 7Sports, der Sportbusiness-Unit der ProSiebenSat.1 Group. In seiner Funktion verantwortet er die strategische Entwicklung sowie die Performance-Optimierung der 7Sports-Beteiligungen. Zudem obliegt ihm die Gesamtverantwortung für den Bereich Digital Sports, worunter beispielsweise auch das Thema eSports fällt. …

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