Fremde Produkte bewerben war gestern. Heute kreieren mehr und mehr Influencer ihre eigenen Artikel und Marken. Dies bringt nicht nur ihnen, sondern ebenso ihren Kooperationspartnern neue Vorteile – auch und gerade während der Corona-Krise.
Wenn es darum geht, zielgenau und effektiv bei jungen Konsumenten anzukommen, bietet Influencer Marketing nach wie vor hervorragende Möglichkeiten. Kurz vor Jahresbeginn hatte die Beratungsfirma Goldmedia das Marktvolumen von Influencer Marketing im deutschsprachigen Raum für 2020 noch auf rund 990 Millionen Euro geschätzt – ein deutlicher Anstieg gegenüber 560 Millionen Euro im Jahr 2017. Das große Marktwachstum überrascht dabei nur wenig – bieten Influencer doch zahlreiche Vorteile in Bezug auf Reichweite, Eingrenzung auf die richtige Zielgruppe und, die richtige Strategie vorausgesetzt, Glaubwürdigkeit bei der Fanbase.
Die großen Social-Media-Stars haben sich parallel zu den Erfolgen der letzten Jahre weiterentwickelt. Zu Anfang drehte sich bei ihnen noch alles darum, fremde Produkte für werbetreibende Unternehmen auf ihren Kanälen zu platzieren. Mit steigender Reichweite und Erfolg entstanden aber auch neue Möglichkeiten der Kooperation und Influencer erkämpften sich nach und nach mehr Selbstständigkeit – zum Beispiel indem sie ihre Person mit bereits bestehenden Produkten in Form von klassischem Merchandising verzahnten.
Eigene Produkte für mehr Authentizität
Heute ist vielen der erfolgreichsten Social-Media-Stars auch das nicht mehr genug. Stattdessen werden sie nun selbst zu Unternehmern und kreieren ihre eigenen Produkte, die sie gleich selbst umso erfolgreicher bei ihren Fans bewerben können. Die Kosmetikmarke Bilou (“Bibi Loves U”) von YouTuberin Bibi (Bibis Beauty Palace) oder das Fitnessprogramm “Strong & Beautiful” von Instagrammerin Pamela Reif sind nur zwei erfolgreiche Beispiele hierfür. Da sie die Wünsche und Bedürfnisse ihrer eigenen Zielgruppe am besten kennen und sie gegebenenfalls durch Meinungsumfragen sogar in den Erschaffungsprozess mit einbeziehen, können die Influencer maßgeschneiderte Produkte für ihre Follower entwerfen. Im idealen Fall sorgt dies nicht nur für hohe Verkaufszahlen, sondern ebenfalls zur Stärkung der Community.
Auch Vermarkter profitieren vom Trend zur Eigenmarke
Nun könnte man meinen, dass die Entwicklung eigener Produkte nur Vorteile für die Influencer bringt. Und tatsächlich sorgt der Trend zunächst dafür, dass Unternehmen nun tendenziell größere Summen auf den Tisch legen müssen, um große Online-Stars für die Bewerbung ihrer eigenen Produkte gewinnen zu können. Gleichzeitig können sie aber auch auf den Zug aufzuspringen und Influencer bei der Kreation ihrer eigenen Produkte unterstützen.
Diese Form der Kooperation findet sich immer häufiger: Social-Media-Stars erschaffen ein neues Produkt, das jedoch unter der Marke eines etablierten Unternehmens auf den Markt kommt. So ließ zum Beispiel About You für die neue Eigenmarke “About You Limited” gleich eine Vielzahl von Influencern ein exklusives limitiertes Modestück designen, darunter Bachelorette Nadine Klein oder Curvy Model Sarina Nowak. Ein weiteres erfolgreiches Beispiel: Der Pizza-Hersteller Francesco Fresco ließ für seine Marke Gustavo Gusto kürzlich zum dritten Mal eine Limited Edition von Luca kreieren, einem der bekanntesten deutschen Influencer mit gut vier Millionen YouTube-Abonnenten. Die Vermarktungspartnerschaft wurde bereits 2017 von der Lizenz-Unit ProSiebenSat.1 Licensing sowie der Kreativ-Agentur Studio71 eingefädelt und aufgrund des großen Erfolgs fortgesetzt. Dass ein solche Kooperation auch mit mehreren Influencern gleichzeitig gut funktioniert, zeigte Studio71, als die Agentur gemeinsam mit dem Label NYZE eine limitierte Influencer-Taschen-Kollektion erfolgreich auf den Markt brachte. Hierfür waren die drei bekannten Influencerinnen LauraJoelle, Kathi alias TheBeauty2go und I‘m Jette maßgeblich am Designprozess beteiligt.
Beide Seiten profitieren dabei von der Zusammenarbeit: Das Unternehmen kann dank der gesteigerten Authentizität und Nähe des Produkts zur Zielgruppe nicht nur mit hohen Verkaufszahlen, sondern ebenso mit einem besseren Markenimage bei der Fanbase des Influencers rechnen. Aber auch die Influencer haben etwas von dem Deal mit dem Unternehmen. Denn wie jedem Neueinsteiger fehlt es auch ihnen zunächst an nötigem Know-How und Unternehmensstruktur, um das neue Produkt erfolgreich vertreiben und die Kundenbedürfnisse langfristig erfüllen zu können. Selbst wenn sie es schaffen, all dies alleine auf die Beine zu stellen, kann das Projekt aufgrund mangelnder betriebswirtschaftlicher Erfahrungen und Weitsicht schnell wieder scheitern.
Auch während Corona eine vielversprechende Option
Trotz der beiderseitigen Vorteile von Eigenmarken-Kooperationen werden diese aktuell kaum umgesetzt. Denn die Corona-bedingte wirtschaftliche Lage hat dazu geführt, dass Unternehmen von ihren bisherigen Marketing- und Investitions-Plänen vorerst zurückgeschreckt sind. Wie eine Umfrage von OMR zeigt, herrscht derzeit große Unsicherheit im Influencer-Markt – obwohl die Mehrheit durchaus optimistisch in die Zukunft blickt. Influencer, die bereits ihre eigene Marke und Produkte aufgebaut haben, sind dagegen in einer komfortablen Lage: Sie können die Phase der zurückgegangenen Investitionen besser überbrücken, da sie weniger abhängig von den angstgeleiteten Entscheidungen fremder Auftraggeber sind und sich aktuell einfach mehr auf ihre eigenen Produkte konzentrieren konnten.
Unternehmen sollten die aktuelle Situation klug einschätzen und die Chancen einer jetzigen Initiative überdenken. Denn entgegen allgemeiner Annahmen sprechen mehrere Faktoren sogar für den Start einer Influencer-Kooperation zum aktuellen Zeitpunkt. Ein Blick auf die Lage der sozialen Medien zeigt: Gerade jetzt bietet Social Media mehr Reichweite denn je. Laut einer repräsentativen Befragung des Digitalverbands Bitkom gaben 75 Prozent an, Plattformen wie Facebook, Instagram, Xing, Twitter und Co. seit Ausbruch des Coronavirus in Deutschland intensiver zu nutzen. Auch die aktuelle Zurückhaltung vieler Unternehmen beim Influencer Marketing bietet kurzzeitige Vorteile: So sorgt der Rückgang der Werbequote dafür, dass Nutzer aktuell mit weniger konkurrierenden Werbebeiträgen konfrontiert werden. Keine schlechte Zeit also, um von der erhöhten Aufmerksamkeit der Follower zu profitieren und sie mit neuen und maßgeschneiderten Produkten und Marken langfristig an sich zu binden.
Foto „LeGer by Lena Gercke“: © ABOUT YOU