Mobile Marketing spielt dank der kontinuierlich steigenden mobilen Internetnutzung eine immer größere Rolle. Gleichzeitig müssen Werbetreibende hier vermehrt mit Restriktionen zur Privatsphäre und zum Datenschutz umgehen. Wir sprechen mit Jan Heumüller, Managing Director DACH bei Ogury, dem Marktführer für Choice-Driven-Advertising, über Chancen, Herausforderungen und die aktuellen Trends im Mobile Marketing.
Warum ist Mobile Marketing wichtig?
Entsprechend der Postbank Digitalstudie 2020 ist der Trend zur mobilen Internetnutzung ungebrochen. So gehen 79 Prozent aller Bundesbürger mit ihrem Smartphone ins Internet (auf Rang zwei folgt der Laptop mit 71 Prozent). Bei den unter 40-Jährigen werden sogar 91 Prozent aller Smartphones zur Internetnutzung verwendet. Weiter geht aus der Postbank Digitalstudie hervor, dass unter 40-Jährige mit dem Smartphone 27 Stunden pro Woche online sind – dies entspricht bereits fast 50 Prozent der gesamten Zeit, die sie online verbringen. Das Smartphone oder Tablet ist für einen Großteil der Bevölkerung das Endgerät der Wahl und damit das perfekte Medium, um als Marke oder Publisher mit dem Nutzer zu interagieren.
Was sind die Herausforderungen und Chancen beim Mobile Marketing?
Mobile ist das persönlichste und zugleich das intimste Medium bzw. Endgerät und führt deshalb beim Nutzer zu Bedenken gegenüber wichtigen Themen wie Privatsphäre und Datenschutz. Nutzer wurden über einen langen Zeitraum hinweg im Glauben gelassen, dass das Internet kostenfrei ist. In Wirklichkeit zahlten sie für Inhalte mit ihren Daten ohne es zu wissen. Nutzer kennen nun den Wert ihrer Daten. Spätestens seit es die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) gibt oder seit den großen Erfolgen von Netflix-Produktionen wie “The Great Hack” oder “The Social Dilemma”. Dadurch erwarten sie eine Wahlmöglichkeit und Kontrolle über die Art und Weise, wie ihnen digitale Werbung ausgespielt wird.
Was sind Eure Mobile-Marketing-Strategien und welche funktionieren am besten?
Mit mehr als 15 Jahren Managementerfahrung in AdTech-Firmen habe ich auf europäischer Ebene viele Trends kommen und gehen sehen. Einige dieser Trends waren reine „Buzzwords”, die nach kürzester Zeit wieder verschwunden sind. Ich denke, dass der digitale Werbemarkt zu lange undurchsichtig, in Teilen sogar betrügerisch war und glaube fest daran, dass diese Herangehensweise vorbei ist und die digitale Industrie einer gründlichen Überarbeitung bedarf.
Werbetreibende, Publisher und Nutzer brauchen digitale Werbung, welche klar ist, verstanden wird, vertrauenswürdig ist und von allen geschätzt wird. Diese neue digitale Werbung muss auf der freien Wahlmöglichkeit für den Nutzer aufbauen. Ich denke auch, dass das “Performance-Rennen” fast zu einem Zerbrechen der Werbeindustrie geführt hat. Marketingverantwortliche haben messbare Ergebnisse am unteren Ende des Funnels gesucht und die eigentliche Bestimmung von Werbung vergessen: die Entdeckung von Marken und das Erleben von Marken! Für mich geht es bei Werbung darum, Menschen zu helfen, Marken und Produkte zu entdecken und nicht darum, Menschen dazu zu treiben, Dinge zu kaufen oder herunterzuladen, die sie schon haben oder nicht brauchen.
Gibt es dabei Unterschiede zwischen B2B und B2C?
Grundsätzlich gibt es keinen Unterschied zwischen B2B und B2C, denn letztlich geht es um den User dahinter. Dieser sollte – egal ob er nun von einer B2B-Marke oder als Konsument für eine B2C-Kampagne angesprochen wird – seine informierte, aufgeklärte Wahl getroffen haben, ob und in welcher Form seine Daten genutzt werden dürfen und welches Werbeerlebnis er wählt.
Wie sehen Eure Best Cases aus?
Lasst uns das konkrete Beispiel einer Kampagne nehmen, die wir kürzlich für Volkswagen umgesetzt haben. Der Automobilhersteller wollte mit einer Mobile Kampagne das Flaggschiff, den neuen Golf, bewerben und dafür nicht nur die ideale Zielgruppe ansprechen, sondern eine Video-Kampagne mit maximalem User-Engagement ausliefern. Auf Basis von Verhaltens-Daten von über 400 Millionen Nutzern weltweit (18 Millionen in Deutschland) wurden die drei Hauptzielgruppen „junge Erwachsene“, „urbane Familien“ und „gesetzte Paare“ angesprochen. Um eine hohe Werbewirksamkeit mit höchstem Ad-Recall-Werten zu erreichen, wurden diese Zielgruppen mit dem Video Chooser Format bespielt, das es dem Nutzer erlaubt, nur das Video zu schauen, das er auch sehen möchte. Die Werbeerinnerung wurde mithilfe eines Video-Werbung-KPI gemessen: Mit einer Viewability von 97,2 Prozent hat die Kampagne sehr gut performt.
Wie wird sich Mobile Marketing in der Zukunft entwickeln?
Gartner sagt voraus, dass bis 2022 die persönlichen Daten bei der Hälfte der globalen Bevölkerung durch Datenschutz-Gesetze geschützt sein werden. Daraus folgt, dass in den kommenden Monaten und Jahren die Häufigkeit von Strafen für Datenschutzverstöße und die Höhe der Strafgelder mit Hinblick auf Datenschutzvergehen steigen wird. Deshalb glauben wir, dass es an der Zeit ist, Datenschutz und Datensicherheit zu einer Priorität im Marketing zu machen.
Wir stehen an einem Punkt, wo das alte AdTech-Ökosystem, welches auf Undurchsichtigkeit und vereinzelt sogar Betrug aufgebaut war, in den letzten Zügen liegt. Die gesamte digitale Werbeindustrie realisiert den Schaden, welcher der Branche durch die Nutzung von Daten entsteht, für die keine explizite Zustimmung des Users vorliegt und staatliche Institutionen haben begonnen, die Märkte zu regulieren. Marken und Werbetreibende müssen sich entweder daran orientieren oder sie werden in Zukunft nicht bestehen können.
Ich denke auch, dass die globale Krise der gesamten Industrie geholfen hat, einen Schritt zurück zu gehen und sich neu auf das zu fokussieren, worauf es wirklich ankommt. Wenn man etwas Positives in dieser Situation finden kann, dann die Chance, tägliche Routinen zu pausieren und das hektische Rennen um kurzfristige Performance und Gewinne zu stoppen.