Frischzellenkur: Diese Marken haben sich erfolgreich verjüngt

Eine starke, historische Marke ist wichtig. Doch hin und wieder kann es Sinn machen, sich mit verbesserter Optik, überarbeitetem Claim oder neuen Produkten neu zu erfinden. Wir stellen Marken vor, denen das gelungen ist – und erklären, was Start-ups sich davon abgucken können. 

1.   #Umparken im Kopf: Opel entlarvt Vorurteile

Vor ein paar Jahren kämpfte das deutsche Traditionsunternehmen Opel massiv gegen Umsatzverluste und ein
altbackenes Markenimage. Auf Basis der breit angelegten Kampagne „Umparken im Kopf“ schaffte es der Autohersteller 2014, sein angestaubtes Image aufzupolieren: Mit einer deutschlandweiten Plakataktion entlarvte Opel gängige Stereotypen als falsch und nahm mutig Tabuthemen wie Homosexualität im Fußball ins Visier – zunächst, ohne die eigene Urheberschaft zu enthüllen. Im zweiten Schritt räumten Promis wie  Jürgen Klopp und Karoline Herfurth in TV-Spots unter dem Motto #Umparken im Kopf mit dem Vorurteil auf, Opel sei eine Marke von gestern. Mit diesem Aufruf zum Umdenken gelang Opel der Aufschwung. 

Frischzellenkur: Diese Marken haben sich erfolgreich verjüngt
‍Quelle: Scholz &
Friends

‍Learning für Start-ups: Ehrlichkeit währt am längsten – Menschen erreicht man mit überraschenden, unverfälschten
Botschaften. Opels Kampagne hat es geschafft, das menschliche Grundbedürfnis nach Authentizität mit einem veränderten Markenbild zu verknüpfen und so die Zielgruppe nicht nur dazu gebracht, mit eigenen Vorurteilen aufzuräumen, sondern auch auf einer emotionalen Ebene abgeholt. 

2.   #Weilwirdichlieben: Die BVG steht zu ihren Fehlern

Verspätungen, Zugausfälle, Materialschäden: Bis vor wenigen Jahren zählten die Berliner Verkehrsbetriebe zu den wohl meistgehassten öffentlichen Einrichtungen der Hauptstadt.  Anstatt sich weiter zu verteidigen, drehte die BVG 2015 den Spieß um – und machte ihren schlechten Ruf zum Markenzeichen. Unter dem Hashtag #Weilwirdichlieben forderte sie Kunden dazu auf, auf den neu angelegten Social-Kanälen ihre schönsten Momente mit den Fahrbetrieben teilen – und erntete einen riesigen Shitstorm, bei dem Fahrgäste die scheinbar endlosen Ärgernisse mit der BVG anprangerten. Der Clou: Dieser Kontrollverlust war beabsichtigt, beantwortet wurden die Beschwerde-Tweets und Hass-Posts mit einer ordentlichen Portion Selbstironie von Komikern der „heute show“ und des „Neo Magazins Royale“. Der Tonfall: brüsk, direkt, Berliner Schnauze – das Chaos sollte cool werden. Mit Erfolg: Laut eigener Marktforschung hatten rund 40
Prozent der Berliner ein Jahr nach Kampagnenbeginn ein positiveres Bild von den Verkehrsbetrieben. Sicher auch dazu beigetragen hat das Musikvideo, mit dem die BVG Ende 2015 nachsetzte: Mit dem Song „Is’ mir egal“, in dem YouTube-Star Karim Arboga eine
Hymne auf den täglichen Fahrgastwahnsinn wie Döner essende Sitznachbarn, ungünstig verlaufende Fahrscheinkontrollen oder mitten auf der Strecke minutenlang stehenbleibende Züge anstimmt, landete die BVG einen viralen Hit.

Learning für Start-ups: Schwächen zugeben statt vertuschen – und so in Stärken ummünzen.  Doch wer ehrlich
zu seinen Fehlern steht und sich selbst nicht zu ernst nimmt, punktet mit Sympathie und erreicht – wie die BvG BVG – im besten Fall Kultstatus. 

3.   #Wahre Schönheit: Dove bekennt sich zu Natürlichkeit

Bis heute werben Pflegemarken mit Bildern von perfekten Figuren und makellosen Gesichtern. Der Konzern Unilever,
der die Pflegemarke Dove vertreibt, erkannte hier eine echte Marktnische – und änderte seine visuelle Strategie im Jahr 2006 grundlegend. Während Werbespots und Plakate Betrachterinnen zuvor stets mit schier unerreichbaren Ideale konfrontierten hatten, fanden sich ab 2006 nur noch „echte“ Frauen mit „normalen“ Figuren in der Dove-Werbung. Vermeintliche Makel wie Cellulite oder Narben traten ebenso zutage wie Falten oder Spreckröllchen. Unterkampagnen wie „Schönheit kennt kein Alter“ rückten weitere Themen wie Attraktivität im Alter ins Blickfeld. Außerdem unterstützte Dove Initiativen, die sich für ein gestärktes Selbstwertgefühl bei jungen Mädchen und Vorbeugung von Essstörungen einsetzen. Die universelle Markenbotschaft: Jeder ist schön. Mit diesem Appell für mehr Selbstbewusstsein und eine positive Selbstwahrnehmung traf Dove nicht nur den Nerv einer sich unverstanden fühlenden Kundengeneration und erweiterte
seine Zielgruppe, sondern schuf auch neue gesellschaftliche Relevanz für die eigene Marke.

Learning für Start-ups: Marken sind mehr als das Produkt – Je enger die Markenbotschaft an der Lebenswelt des Kunden ansetzt, desto besser: Denn wem es wie Dove gelingt, einen wunden Punkt der Gesellschaft anzupacken und zu verbessern, kreiert Bedeutsamkeit und schafft Akzeptanz. 

4. #Jägermeister zeigt Mut zum radikalen Umdenken

Für eine kompromisslose Verjüngung der Zielgruppe steht die deutsche Traditionsmarke Jägermeister: Ende der 1990er
war der Kräuterlikör klar als Absacker für ältere Herrschaften positioniert. Das Jagd-Image: altbacken, angestaubt, nicht mehr zeitgemäß. Schwindende Absätze zwangen das Unternehmen zur Strategieänderung. Anstatt sich weiter ausschließlich an die Generation 50+ zu richten, sprach das Unternehmen ab sofort konsequent eine Zielgruppe Anfang Zwanzig an und erweiterte den Konsumradius vom Sofa in Bars und Clubs. Ohne den Markenkern zu ändern, verkaufte sich Jägermeister nun als Partyhelfer – indem die bereits bestehenden
Attribute wie der röhrende Hirsch oder die Jagdtradition lautstark nach außen kommuniziert und in der Zielgruppenwahrnehmung mit Partyanlässen wie Rockfestivals oder Bargelagen verknüpft wurden. Dabei halfen auch die Jägerettes – leicht bekleidete Kellnerinnen, die auf Partys gratis Jägermeister ausschenkten und so Bekanntheit und Beliebtheit steigerten. So gelang Jägermeister die Verwandlung von der deutschen Altherrenmarke in ein internationales Partysymbol.

Learning für Start-ups: Keine Angst
vor Wandel! Wenn eine Kommunikationsstrategie nicht mehr funktioniert, ist Mut zum konsequenten Richtungswechsel manchmal die beste Lösung. Wichtig dabei ist jedoch, dass der Markenkern erhalten bleibt – sonst geht die Glaubwürdigkeit verloren. 

5. Edeka findet sich #Supergeil

Der Lebensmittelherstellerverbund Edeka galt die meiste Zeit seiner Existenz wohl nicht gerade als hip. Doch 2014 gelang dem Unternehmen ein genialer Coup: Mit dem YouTube-Clip „Supergeil“ erzielte Edeka einen viralen Hit – schon nach wenigen Tagen hatte das Musikvideo mehr als vier Millionen Klicks, bis heute zeigt der Zähler weit über 19 Millionen Ansichten. Das simple und doch so gewiefte Erfolgsgeheimnis: Mit dem weitgehend unbekannten, dafür aber umso spezielleren Künstler Friedrich Liechtenstein tanzte eine so kuriose wie aufmerksamkeitsheischende Figur durch die Edeka-Regale und besang, begleitet von einem langsamen Elektronik-Beat, den Lachs für 5,99 € als supergeil. Mit relativ geringem Kostenaufwand, dafür aber umso mehr Selbstironie sowie ordentlich Mut zur Imagebrechung hatte die Lebensmittelkette sich so in aller Munde gebracht und mit einem Schlag die öffentliche Markenwahrnehmung verjüngt. 2015 setzte Edeka mit dem viralen Hit „Heimkommen“ nach: Hier täuscht ein einsamer Großvater seinen eigenen Tod vor, um seine Familie an Weihnachten zusammenzubringen – anders als bei „Supergeil“ setzt dieser Clip emotional beim Kunden an und besetzt die Marke Edeka mit starken Emotionen. „Heimkommen“ hat bis heute sogar 59 Millionen Ansichten bei Youtube.

Learning für Start-ups: Gutes Bewegtbild-Marketing hat die Chance, sich bei Erfolg schneller als jeder Virus
im Netz zu verbreiten. Damit ein Clip jedoch viral geht, gehört eine fein austarierte Mischung aus Provokation, Humor und oder Emotion dazu. Nur was sich abhebt und überrascht, wird auch geklickt. 

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Hier schreibt die Redaktion des Restless CMO. Wir sind ein Team aus leidenschaftlichen Medien-Expert:innen und haben uns zur Aufgabe gemacht, Marketingentscheider:innen, CMOs, Founder:innen und alle Marketing-Macher bestmöglich über die neuesten Entwicklungen, Trends, Storys aus der Marketing-Branche zu informieren. Dabei ist es uns sehr wichtig einen …

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