Mit einer Marktkapitalisierung von 2,051 Billionen US-Dollar ist Apple aktuell die wertvollste Marke weltweit [Quelle: pwc]. Das liegt nicht nur an seinen Pionierleistungen auf technischem Gebiet. Auch im Marketing ging das Unternehmen immer wieder neue Wege und hat es dabei wie kein anderes geschafft, technisches Gerät zu emotionalisieren und damit zur Premiummarke zu werden.
Die Zielgruppe: Sei anders!
1984 sollte einen Wendepunkt in der Historie des Unternehmens markieren. Bis dahin hatte Apple erfolgreich den Nischenmarkt der Personal Computer bespielt. Acht Jahre nach seiner Gründung 1976 brach es nun jedoch auf, den Massenmarkt zu erobern und lancierte ein Modell mit dem Namen Macintosh, das mit 2.495 US-Dollar nur ein Viertel seines Vorgängers kostete.
Apple platzierte den Werbefilm für den Mac in einer Spielpause des Super Bowls. 96 Millionen Zuschauer:innen sahen einen 60-sekündigen Werbefilm, der ganz anders war, als alles, was man bis dahin gesehen hatte.
Die Regie führte Ridley Scott, der gerade mit “Blade Runner” berühmt geworden war. Der Clip nahm Bezug auf George Orwells Roman von 1984. Er zeigt grau gekleidete Arbeiter, die einer Rede auf einem riesigen Monitor folgen. In ihr wird die Vereinheitlichung der Gedanken gelobt. Eine junge Frau stürmt in den Saal und schleudert einen Hammer in den Bildschirm. Er zerbricht, Licht flutet den Raum, die Menschen erwachen aus ihrer Lethargie. Eine Laufschrift fließt ins Bild „On January 24th, Apple Computer will introduce the Macintosh. And you’ll see why 1984 won’t be like 1984.“ Zum Schluss erscheint das Logo, der angebissene Apfel, damals noch in Regenbogenfarben.
Der Werbefilm verschlang ein für damalige Zeiten ungekanntes Budget von 900.000 US-Dollar. Doch nicht nur die Kosten machten den Clip so ungewöhnlich. Apple verzichtete gänzlich darauf, die technischen Eigenschaften seines Produktes aufzuführen. Bis zum Ende des Clips ist noch nicht einmal deutlich, was er überhaupt bewirbt. Apple vermarktete kein Produkt, sondern ein Lebensgefühl: Freiheit und Nonkonformität.
Die “Think different”-Kampagne aus den Jahren 1997 bis 2002 setzt genau darauf auf:
Der TV-Spot zeigte eine Reihe von Berühmtheiten wie Albert Einstein, Martin Luther King oder Martha Stewart. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen waren mit einem gesprochenen Text unterlegt, der mit den Worten begann: “Here’s to the crazy ones. The misfits. The rebels.” Das Ende des Clips bestand aus dem Slogan “Think different” und dem Logo.
Auch hier fand das eigentlich beworbene Produkt keine Erwähnung, ebenso wenig wie in der begleitenden Printkampagne. Apple platzierte sie – völlig unüblich zu jener Zeit – nicht in Computermedien, sondern in der Publikumspresse und Modemagazinen.
Learning:
Mit dem 1984-Clip machte Apple den ersten Schritt auf einem Weg, den sein Marketing bis heute verfolgt: Technische Eigenschaften treten in den Hintergrund, die Nutzer:innen stehen im Mittelpunkt. Apple inszeniert sich als Marke der Kreativen, Anders- und Vorausdenkenden – und legt damit den Grundstein für sein Branding.
Die Produkte: Designikonen
„Ich will, dass das Design von Apple nicht nur das Beste innerhalb des Personal-Computer-Sektors sein wird, sondern das absolut Beste auf der ganzen Welt”, so Steve Jobs 1982. Diese Denkweise sollte das Unternehmen Ende der Neunziger Jahre zu einem großen Erfolg verhelfen.
Der poppige iMac
1998 stellte Apple den iMac vor. Das “i” stand unter anderem für Internet. Er sollte eine neue Ära einläuten, das Zeitalter des privaten Gebrauch des Internets und überraschte mit einem damals noch ungewohnten Plug-und-Play-Zugang zum Internet. Die Einrichtung erforderte nur wenige Minuten. Einer der Werbefilme zeigt ein Kind und wie es in nur kurzer Zeit den Rechner aufbaut.
Das Revolutionäre drückte sich auch in seinem Äußeren aus: Waren Rechner zuvor beige oder graue Kästen, gestaltete Apple-Designer Jonathan Ive den Korpus des iMac stromlinienförmig. Zudem war das halbtransparente Kunststoffgehäuse teils farbig, anfangs nur in blau, ab 1999 in weiteren Farben und Mustern. Die Formensprache war futuristisch und spielerisch zugleich. Sie stand für eine fröhliche, kreative Zukunft.
Von Mitte August bis Ende 1998 verkaufte sich der iMac 800.000 Mal und übertraf die Erwartungen deutlich. Eine Befragung unter den Käufer:innen ergab, dass ein Drittel vorher noch keinen Rechner besaßen und mehr als 80 Prozent ihn zum Surfen im Internet nutzten. Die Strategie von Apple war aufgegangen.
Klassiker des Minimalismus: iPod und Iphone
Drei Jahre später, 2001, präsentierte Apple eine weitere Designikone: den iPod. Anstelle von poppigem Design beherrschte nun radikaler Minimalismus die Formensprache. Der MP3-Player war weiß, seine Front bestand aus einem großen ”Scrollwheel” und einem Bildschirm. Keine anderen Bedienelemente lenken die Aufmerksamkeit der Benutzer:innen ab. Bei der Gestaltung setzte Apple radikal auf Benutzerfreundlichkeit. Schließlich sollte das Gerät ermöglichen, mit einer Hand sekundenschnell aus bis zu 1.000 Songs auszuwählen.
Hinter dem reduzierten Design des iPods stand der Wunsch, die Bedienung des Gerätes so einfach wie möglich zu gestalten – eine Denkweise, die letztlich zu einer dritten Designikone des Unternehmens führte: das 2007 zum ersten Mal präsentierte iPhone.
Davor waren Smartphones klobige Geräte mit ergonomisch unzureichenden Mini-Tastaturen aus Plastik oder nur begrenzt einsatzfähigen Touchscreens. Apple gelang es, die Touchscreen-Technologie so zu verbessern, dass die Navigation nun mühelos und fast ausschließlich auf dem Display stattfand. So erhielt das iPhone jene glatte Glasfront, die seine minimalistische Ästhetik ausmacht und stilbildend für das Apple-Design werden sollte.
Die Benutzeroberfläche im Fokus
Apples Fokus auf die User Experience zeigt sich auch in der Gestaltung der Benutzerführung durch die Software. 1984 führte das Unternehmen nicht nur die Maus ein, sondern etablierte zudem die grafische Benutzeroberfläche. 2001 präsentierte Apple mit ”Aqua” ein revolutionäres Betriebssystem, mit Schattierungen, dreidimensionalen Effekten und neuen Möglichkeiten der Interaktion mit den Objekten des Schreibtisches.
Egal ob Software oder Hardware – Apples Design will sich nahtlos in das Leben seiner Benutzer:innen einfügen. Nicht umsonst arbeitet das Unternehmen kontinuierlich daran, die Geräte kompakter, dünner und leichter zu machen.
Die aktuelle TV-Werbung für das iPad drückt genau diese Userzentriertheit aus: Während sich die Anderen mit Technik herumplagen, sind Apple-User:innen entspannte, sorglose Menschen, die über ihre Geräte kommunizieren, mit ihnen spielen und kreativ sind – und sie mit leichten, mühelosen Gesten bedienen.
Learning:
Apple hat es immer wieder geschafft, den Umgang mit Technik radikal zu vereinfachen. Damit konnte das Unternehmen nicht nur einen USP besetzen, sondern diesen sogar erst erschaffen. Gleichzeitig führte der Wunsch zur Einfachheit zu einer minimalistischen Gestaltung, die – gepaart mit hochwertigen Materialien – Apples Image als Designmarke etablierte.
Die Inszenierung: Premium oder Luxus?
Apples Produktpräsentationen sind legendär. Das Unternehmen hat es mit geschickten Inszenierungen geschafft, immer wieder die Aufmerksamkeit der Medien zu erlangen. Sie erinnern an die Enthüllung von Denkmälern oder Kunstwerken. Zudem erhält die Marke durch Livepräsentationen des CEOs ein Gesicht, Grundlage für eine persönliche Beziehung der Kund:innen zum Unternehmen.
Selten zeigen die Key Notes jedoch tatsächliche Innovationen. Sie zeigen Gemeinsamkeiten mit Präsentationen von Modekollektionen, bei denen sich die Marken nicht neu erfinden, sondern Gewohntes in neuem Gewand präsentieren. Dazu würden die empfindlichen Oberflächenmaterialien der Apple-Geräte passen, die schnell Gebrauchsspuren zeigen. Apples Marketingstrategie wäre dann die ästhetische Obsolenz: Wenn die Geräte schon nicht technisch altern, dann wenigstens optisch.
Die Apple Stores erscheinen mit ihrem reduzierten Design und ihrer geschickten Lichtdramaturgie eher wie Designerboutiquen als Computerfachgeschäfte. Alles, was vom eigentlichen Produkt ablenken könnte, wird soweit wie möglich eliminiert. Die Ehrfurcht vor dem Objekt soll aber nicht zu weit führen. Die Geräte sind betriebsfähig aufgestellt und laden zum direkten Gebrauch ein: Apple ist edel, aber gleichzeitig auch für alle. “Der Elektronikkonzern verkauft Luxus für den Massenmarkt. Teuer, aber für viele Menschen immer noch erschwinglich.”
Einerseits Luxus, andererseits Massenmarkt – kann Apple diese Balance erfolgreich meistern? Wohin schlägt das Pendel aus? Schon 2015 lancierte das Unternehmen eine Partnerschaft mit Hermès und auch das Retaildesign nähert sich dem von hoch exklusiven Marken an. Der Konzern beauftragte das weltberühmte Architekturbüro Foster + Partners für seine Flagshipstores. Ergebnis sind aufsehenerregende Stahl- und Glasarchitekturen mitsamt Wasserfällen und monumentalen Treppenkonstruktionen an der Fifth Avenue und den Champs Élysées, in Peking, Dubai und Singapur – dort in direkter Nachbarschaft mit Luis Vuitton.
Der Flirt mit dem Luxussegment könnte dem Branding von Apple jedoch gefährlich werden, wenn seine Produkte nur noch als Ausdruck eines überteuerten Lifestyle-Minimalismus wahrgenommen werden. Das zeigten 2019 die Diskussionen über den Preis eines Monitorständers:
“A $999 monitor stand is everything wrong with Apple today”, schrieb der Tech-Blogger Devindra Hardawar. “(…) it continues a trend we’re seeing from Apple recently: trying to upsell attractive tech that ultimately doesn’t do much for users.”
Learning:
Als etablierte Premiummarke mit starkem Design liegt es nahe, dass Apple seine Fühler nach dem äußerst lukrativen Luxussegment ausstreckt. Das könnte zwei Markenkerne gefährden: das Image, das Leben der Benutzer:innen zu verbessern und die Marke der Kreativen und Andersdenkenden zu sein.