Nachdem Facebook, Twitter und Snapchat es schon seit langem im Angebot haben und nun auch Instagram mit Instagram Stories auf Live-Streaming setzt, kann man mit Fug und Recht behaupten: Live-Streaming ist ein Trend, der die Social-Media-Welt im Sturm erobert hat. Doch welches Potenzial bieten sie für Marketer? Und können wir dem Hype wirklich glauben?
Die Zuschauerzahlen sind enorm
Die meisten Menschen bevorzugen visuellen Content gegenüber geschriebenen Inhalten. Und das aus einem einfachen Grund: Es ist schlicht die einfachere Art der Interaktion. Neben dem Anstieg bei traditionellem TV-Konsum sowie den On-Demand-Services, feiert auch das Online-Video-Segment im Bereich Social Media immer größere Erfolge. Allein 2015 erwirtschaftete YouTube einen Umsatz von mehr als 9 Milliarden US-Dollar, hatte 4 Milliarden tägliche Views und über 1 Milliarde Nutzer weltweit. Im selben Jahr gab es auf Facebook acht Milliarden Video-Views pro Tag, die Nutzerzahl lag damals um die 500 Millionen (wenn man den Zahlen glauben darf ;-)). Schnelleres Internet und mobile Endgeräte haben diesen Trend seitdem weiter befeuert: Heute ist es so einfach wie nie, online Videos zu schauen.
Was kann Live-Streaming was andere Formate nicht können?
Jeder, der auch nur ein bisschen Ahnung von Social Media Marketing hat, weiß, wie zeitintensiv und vor allem auch teuer die Produktion von Filmen ist – selbst wenn diese auch noch so kurz sind. Genau wie beim Live-TV bietet Live-Streaming hier die Möglichkeit, das Publikum direkt zu erreichen und dabei teure Produktionsfirmen und unnötige Verzögerungen zu umgehen. In einer Welt, in der viele vor lauter Inhalten schon gar nicht mehr aufnahmefähig sind, bietet Live-Streaming das entscheidende Maß an Authentizität. Das schafft Vertrauen, denn es gibt letztlich nichts authentischeres, als die direkte Kommunikation mit den eigenen Followern – unmittelbar und in Echtzeit. Wenn man es genauer betrachtet, bringt es das Beste aus beiden Welten zusammen: Eine Live-TV-Sendung, die direkt über die eigenen sozialen Kanäle an die eigenen Fans gestreamt wird.
Wie können Marketer Live-Streaming nutzen?
Live-Streaming von Events, Q&As mit der Followerschaft, Behind-the-Scenes-Interviews, besondere Ankündigungen und Produktvorstellungen: Die Einsatzmöglichkeiten von Live-Streaming auf Social-Media-Kanälen bieten Unternehmen enormes Potenzial bei der Direktansprache ihrer Zielgruppen. Was können wir von Marken lernen, die Live-Streaming bereits erfolgreich einsetzen?
Lektion eins: Perfektion wird es nicht geben
Erfolg bei Live-Streaming-Formaten werden zukünftig vor allem die haben, die sich einem offenen Austausch stellen, dabei menschlich agieren und auch in der Lage sind, ein Stück weit Kontrolle loszulassen. Ein Live-Stream ist nun mal LIVE, das schließt Fehler automatisch mit ein! Hierfür ist Facebook-CEO Mark Zuckerberg ein gutes Beispiel: In seinen Live-Streams an seine Milliarden User wirkt er oft ziemlich nervös. Man sieht deutlich, dass auch er es nicht gewohnt ist, sich live an so viele Menschen gleichzeitig zu wenden. In einem vorproduzierten Video hätte er die Möglichkeit, seine Performance zu üben und zu perfektionieren, im Live-Stream jedoch ist sie nicht perfekt. Die Marketing-Strategen bei Facebook wählten die Live-Variante, da sie der Meinung waren, es würde ihren milliardenschweren CEO schlicht nahbarer wirken lassen. Mit mehr als 200.000 Zuschauern pro Live-Übertragung trafen sie mit dieser Strategie scheinbar genau ins Schwarze.
Lektion zwei: Habe einen Plan, aber plane nicht
Bei Live-Streams geht es nicht um auf Hochglanz produzierte Videos und es ist auch nicht der Platz für ausgefeilte Webinare. Natürlich wird es auch weiterhin einen Markt für gut produzierte Online-Videos geben, doch beim Live-Streaming geht es viel mehr darum, den Moment und damit auch die spontanen Situationen auszunutzen. Ein Beispiel: Im wöchentlichen Live-Stream der Beauty-Marke Benefit entscheiden die Zuschauer, worum es in der Sendung geht. Dafür befragt der Moderator das Publikum aktiv darüber, welche Produkte sie bei der Übertragung gerne präsentiert bekommen wollen. Benefit hat dabei zu Beginn der Sendung einen ungefähren Plan wie diese verlaufen wird, aber das letzte Wort hat eben das Publikum.
Lektion drei: Vertraue darauf, anderen zu vertrauen
Live-Streams bieten eigenen, aber auch externen Brand Ambassadors eine großartige Gelegenheit und die perfekte Bühne. Die Live-Streams der Ultimate Fighting Championships machen es vor: Sie bieten Einblicke beim Wiegen der Boxer oder zehnminütige Q&As mit den Nummerngirls und damit jede Menge Behind-the-Scenes-Eindrücke. Der Grund für die sehr erfolgreichen Streams ist die Offenheit der UFC gegenüber anderen, externen Markenbotschaftern, denen bei den Live-Streams freie Hand gelassen wird. Andere einzuladen und derart einzubinden, hilft dabei, die Reichweite der eigenen Marke, um deren Netzwerke zu erweitern. Das erfordert Vertrauen in andere.
Lektion vier: Sei nah dran an deinen Zuschauern
Live-Streaming bietet die ideale Möglichkeit, mit den eigenen Zuschauern in Kontakt zu treten. So bemerkte die amerikanische Fluglinie Southwest 2016 zum Beispiel, dass es Bedenken unten den eigenen Followern mit Blick auf zahlreiche Wetterwarnungen gab. Um die Menschen in Echtzeit zu informieren und up-to-date zu halten, setzte die Airline in dieser Situation geschickt auf Live-Streamings und wurden mit Zuschauerzahlen von über 100.000 belohnt. Für alle Marketer gilt dabei: Die direkte Verbindung zu den Followern über Live-Streams vermittelt diesen eine Art von „wir kümmern uns um euch“-Gefühl.
Lektion fünf: Wenn es kein Event gibt von dem du berichten kannst, dann erschaffe dir eins
Beispiele von erfolgreich live gestreamten Events gibt es mittlerweile viele, seien es nun Präsentationen, Talkrunden, Pressekonferenzen, Vorführungen, Konzerte, Touren oder Demonstrationen. So nutzte der US-Konzern General Electrics beispielsweise Drohnen, die mit Periscope ausgestattet waren, um über Twitter im Rahmen der #Droneweek Einblick in entlegene Werke zu ermöglichen. U2 und Spotify nutzen Streaming-Funktionen bereits für Live-Konzerte.
Was aber, wenn es gar kein Event zum Live-Streamen gibt? Dann erschafft man sich eben sein eigenes. So war das britische Magazin Grazia beispielsweise besonders erfolgreich mit einem Debattenformat zur bevorstehenden Brexit-Abstimmung, das speziell für Social Media kreiert und hier gestreamt wurde. „Anders als im normalen Fernsehen sind die Zuschauer bei Facebook Live meist nicht von Beginn an dabei. Die Brexit-Debatte erreichte aber von Minute zu Minute immer mehr Zuschauer. Der Grund: Leute teilten den Live-Stream zunehmend und erzählten ihren Freunden davon“, erklärte Grazia-Redakteurin Natasha Pearlman gegenüber Digiday UK.
Lektion sechs: Habe Spaß und hebe dich von der Masse ab
Live-Streaming ist für alle Brands, egal welcher Größe, extrem einfach zugänglich. Das bedeutet aber auch, die Versuchung alles und jede Kleinigkeit zu übertragen, ist recht hoch. Dabei sollten Verantwortliche jedoch immer im Hinterkopf behalten, dass jeder Live-Stream nicht nur aus Unternehmenssicht Sinn machen muss, sondern auch die Interessen der eigenen Zielgruppe berücksichtigen muss. Dazu ein Beispiel aus den Anfangszeiten von Facebook Live: Im April 2016 zeigte Buzzfeed zwei Menschen, die zwei Gummibänder auf Wassermelonen setzten, mit dem Ziel, herauszufinden, wie lange es bis zum Platzen der Melonen dauern würde. Der Stream dauerte geschlagene 45 Minuten und zog dabei (trotz seiner Sinnlosigkeit) über 800.000 Zuschauer in seinen Bann. Warum? Es war eine komplett verrückte Idee und passte somit perfekt zum Markenkern von Buzzfeed. Das Medienunternehmen kennt seine Fans und bot ihnen genau das, was sie unterhalten würde.
Es gibt also keinen Zweifel: Das Potenzial für Marken beim Thema Live-Streaming ist enorm. Im Endeffekt werden es vor allem die Marken sein, die sich von allem Perfekten lösen und sich der Spontanität der Situation hingeben können sowie mit Authentizität, Transparenz und Spaß an die Sache heran gehen, die in diesem Bereich erfolgreich sein werden.