Ist Contextual Targeting eine effektive Alternative für die Post-Cookie-Ära? 

Nach dem Ende der Cookies von Drittanbietern sucht die Marketingbranche nach einer veritablen Alternative. Diese bietet sich in der Form des Contextual Targetings an. Anstatt das persönliche Nutzerverhalten mithilfe von Cookies auf unterschiedlichen Webseiten nachzuverfolgen, werden bei dieser Art des Marketings relevante Anzeigen auf Grundlage des Inhalts der jeweiligen Website geschaltet. Handelt es sich aber wirklich um eine effektive Alternative, die den Verlust von Third-Party-Cookies kompensieren kann?   

Was kann Contextual Targeting leisten?   

Beim kontextbezogenen Targeting werden Anzeigen beispielsweise auf Webseiten geschaltet, die in eine bestimmte Kategorie fallen oder spezifische Keywords beinhalten. Hierbei handelt es sich nicht unbedingt um eine neue Werbemethode. Entsprechende Anzeigen ließen sich lange Zeit in Print-Magazinen, Zeitungen und in der Fernsehwerbung finden. Die Idee dahinter ist, dass sich ein TV-Publikum oder Leser:innen mit einer zur Lieblingssendung oder zum Magazin-Inhalt passenden Anzeige näher beschäftigen. Ein Targeting, das nur auf einer Keyword-Analyse basiert, kann funktionieren, aber nicht immer im Einklang mit der Brand Safety stehen. Eventuell erscheint eine Anzeige in einer unpassenden oder unangemessenen Umgebung. Selbst wenn die Keywords augenscheinlich passen, kann eine Anzeige auf einer Seite mit extremen Inhalten veröffentlicht werden, die rein gar nicht zur Markenidentität passt.  

Neu in diesem Zusammenhang ist das sogenannte semantische Targeting. Bei dieser Form werden maschinelles Lernen und Computerlinguistik eingesetzt, um Content von Webseiten sowie deren Bedeutung und Stimmung besser zu verstehen und nicht nur die richtigen Schlüsselwörter auf einer Seite zu identifizieren. Wird eine bestimmte Website besucht, kann aufgrund der Informationen zum Seiteninhalt innerhalb von kürzester Zeit eine Werbeanzeige erscheinen, die bestens in diesen Kontext passt. Je besser das genutzte System die Inhalte versteht, desto akkurater gestaltet sich dieser Anzeige-Abgleich.    

Was sich zunächst wie ein adäquater Ersatz für das bisher genutzte Targeting anhört, bringt einige Vorteile, aber auch Nachteile mit sich. Einer der wichtigsten Vorzüge besteht darin, dass das Contextual Targeting nicht auf Cookies angewiesen ist. Das Marketing erreicht relevante Verbraucher:innen vollkommen ohne persönliche Daten, die vielleicht gar nicht mehr aktuell sind. Weil ein und dieselben Werbeanzeigen die User:innen nicht über mehrere Webseiten hinweg verfolgen, werden sie nicht als irritierend wahrgenommen. Immerhin hat eine neue Studie des Online-Vermarkterkreises (OKV) im Bundesverband digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. zur Akzeptanz von Werbung im Internet festgestellt, dass sich 65 Prozent der Befragten von unpassender Werbung gestört fühlen und 57 Prozent genauer auf Werbung achten, wenn sie in einem angemessenen Umfeld erscheint.   

Eine große Herausforderung dieser Vorgehensweise liegt darin, dass es viele Webseiten mit vielfältigen Inhalten gibt, die sich keiner bestimmten Kategorie und keiner Stimmung zuordnen lassen. Hierzu gehören beispielsweise Nachrichtenseiten, die sich mit den unterschiedlichsten Themenfeldern beschäftigen. Entsprechend knifflig ist die Einbindung einer geeigneten Werbeanzeige. Aber auch Kampagnen, die über eine Website hinausgehen, lassen sich nur schwierig gestalten, weil Content ganz unterschiedlich kategorisiert werden kann. An Lösungen wird bereits gearbeitet: Die bisher noch limitierte Content Taxonomy des Branchenverbands IAB Tech Lab teilt beispielsweise verschiedene Inhalte in diverse Themen-Segmente ein, um somit einheitliche Content-Kategorien für z.B. News, Games oder Video zu etablieren und flächendeckende Kampagnen zu ermöglichen.   

Kontextanalyse bei Audio- und Video-Inhalten  

Eine weitere Frage ist, wie sich Audio- und Video-Content in diese Kontextanalyse mit einkalkulieren lässt. Weil das Internet nicht nur aus Text besteht, müssen beim Contextual Targeting diese Inhalte mitberücksichtigt werden. Nur auf diese Weise lässt sich der gesamte Kontext einer Website verstehen und bestimmen, ob das Schalten von Werbung angemessen ist oder nicht. Spracherkennungssoftware und eine Sentiment-Analyse können an dieser Stelle weiterhelfen, um die Stimmung des Contents zu erfassen und die Werbung an der passenden Stelle zu platzieren. Hiermit werden die Video- und Audioinhalte in Textdateien umgewandelt und auf ihre Stimmung hin untersucht. Anhand der daraus gewonnenen Metadaten können Werbekund:innen bestimmen, welches Keyword die vorher festgelegte Werbeeinblendung auslöst. 

Das in 2021 entwickelte Contextual Ads Tool der ProSiebenSat.1 PULS 4-Gruppe bietet z.B. die Möglichkeit, geeignete Szenen ausfindig zu machen, um die gewünschte Zielgruppe mit für sie wichtigen Werbeinhalten zum passenden Zeitpunkt zu erreichen. Dies kann im Fernsehen etwa mit Programm-Splits oder CutIns, in der Form von Addressable TV oder bei der Online-Werbung mit Mid-Rolls geschehen. 

Fazit  

Trotz dieser zahlreichen Fortschritte stellt Contextual Targeting nicht die Lösung für alle Hürden dar, die durch das Wegfallen von Third-Party-Cookies entstehen. Da sich die Werbung lediglich auf die Inhalte der jeweiligen Website bezieht und nicht auf die Besucher:innen wird es immer zu Streuverlusten kommen. Um an dieser Stelle gegenzusteuern, bietet sich das Behavioral Targeting an. Hiermit werden die Aktivitäten von Personen auf einer Website oder App analysiert und basierend darauf in bestimmte Zielgruppensegmente eingeteilt, um Werbeanzeigen passend zu platzieren. Ein Mix aus beiden Ansätzen kann beispielsweise zu einer präziseren Kampagne führen. Mit einer Mischung aus nicht-domainübergreifenden First-Party-Cookies und alternativen Identifiern wie Logins lässt sich ebenso ein User-zentriertes Targeting anstreben. Auf diese Weise können Werbetreibende weiterhin demografische Daten, Informationen über Interessen und Hobbys oder konkrete Suchanfragen für die gezielte Werbeansprache verwenden, ohne auf Datenschutzprobleme zu stoßen – vorausgesetzt das Einverständnis der User:innen ist vorhanden. 

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