Amazon ist momentan quasi omnipräsent. Neben dem Deutschlandstart des smarten Lautsprechers Amazon-Echo und der Eröffnung des ersten stationären Geschäfts in den USA jetzt auch noch das: Der Onlinehändler startete kürzlich seine erste Eigenmarke (auch Handelsmarke genannt) für Mode und nutzt damit eine Strategie, die deutsche Supermarktketten schon seit Jahren verfolgen. Grund genug für uns einmal zu schauen, wie sich Herstellermarken vs. Handelsmarken denn momentan so schlagen. Wie ist es aktuell um das Image von Eigenmarken bestellt? Was sind die Vorteile und Nachteile beider Strategien? Sind Handelsmarken gar erfolgreicher als Markenartikel? Eine Analyse.
Herstellermarke vs. Handelsmarke: Optik- und Image-Entwicklung
Noch vor ein paar Jahren waren Handelsmarken in Supermarktregalen ganz einfach auszumachen: Während Markenprodukte mit optisch ansprechenden und durchdacht gestalteten Verpackungen auftrumpften, kamen die Eigenmarken der Einzelhändler:innen meist eher nüchtern und wenig aufregend daher. Darüber hinaus greifen Herstellermarken auf eine über Jahrzehnte aufgebaute emotionale Bindung zwischen Kund:innen und Produkt zurück. Die Folge: Bei Verbraucher:innen galten Eigenmarken eher als qualitativ minderwertige Kopie-Produkte.
Dieses Image hat sich inzwischen ein bisschen gewandelt – und das auch, weil der Handel mittlerweile mehr Wert auf Optik legt als früher: So sehen vier von fünf Personen aus Deutschland (84 Prozent) laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos zumindest qualitativ keinen Unterschied mehr zwischen Hersteller- und Handelsmarken. Dabei gewinnen Eigenmarken auch wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung. Allein 2015 wurden laut Nielsen in Deutschland 52,5 Mrd. Euro mit ihnen umgesetzt, das entspricht satten 41,3 Prozent aller Konsumgüter-Umsätze.
Definition: Was ist eine Handelsmarke? | Definition: Was versteht man unter Herstellermarken? |
Handelsmarken sind Produkte oder Produktreihen, die sich im Besitz eines Handelsunternehmens bzw. einer Handelsorganisation befinden. Häufig werden die Begriffe Eigenmarke sowie Hausmarke synonym verwendet. Die Distribution der Handelsmarke ist demnach auf das jeweilige Handelsunternehmen beschränkt. | Herstellermarken sind die Marken eines Herstellers. Diese Markenart wird durch Markenartikel von Hersteller:innen an Verbraucher:innen vertrieben. Der Produzent verantwortet dabei den gesamten Markenprozess in allen Vertriebskanälen bis hin zu Positionierung im Einzelhandel. |
Vorteile und Nachteile von Herstellermarken und Handelsmarken
Klar ist: Herstellermarken punkten beim Verbraucher häufig, weil sie schlicht bekannter sind – großen Marketing- und Werbebudgets sei Dank. Gleichzeitig besteht ein über Jahre gewachsenes Vertrauen sowie eine emotionale Bindung zur Marke und dem Produkt. Davon profitiert letztlich auch die Sichtbarkeit während des Einkaufs, Artikel werden allein schon aufgrund der äußeren Merkmale des Verpackungsdesigns wiedererkannt und gekauft. Auch Produktinnovationen werden von den Herstellern vorangetrieben und emotional besetzt. So besteht von Haus aus immer ein Vorsprung, wenn es um Produktbindung geht.
Sind Herstellermarken häufig also die Markt-Innovatoren, überzeugen Händler:innen die Verbraucher:innen meist mittels geschickter Me-Too-Produktstrategien zu Kampfpreisen, denen Markenartikel aufgrund höherer Marketingbudgets oft nicht folgen können. Doch: Immer mehr Handelsunternehmen bedienen mit ihrer Eigenmarke längst nicht mehr nur das Low-Price-Segment. Ein Strategiemix aus Produkten, die unterschiedliche Preissegmente bis hin zur Premium-Kategorie abdecken, ist längst gängige Praxis geworden. Trotzdem ist auch bei dieser Strategie am Ende immer der Preis entscheidend.
Zwar sind es bislang immer noch die Niedrigpreis-Artikel, die Verbraucher:innen mit Eigenmarken verbinden, aber – das zeigen die Ergebnisse der Ipsos-Untersuchung – auch Premium-Handelsmarken gewinnen zunehmend an Bedeutung und haben damit auch langfristig einen positiven Einfluss auf das allgemeine Image von Eigenmarken und Handel. Das gelingt nicht zuletzt auch deshalb, da der Händlername, anders als im Niedrigpreissegment, bei diesen Produkten so gut wie immer Teil des Markennamens ist, wie Beispiele von REWE Feine Welt oder Edeka Selection zeigen. So konstatieren die Autor:innen des Handelsmarkenmonitors 2016 von Ipsos: “Das hochwertige Image dieser (neuen Generation von Handels-, Anm. d. Red.) Marken wie z.B. ‘ökologisch nachhaltig’, ‘hochwertige Qualität’, ‘bietet etwas Besonderes’ und ‘ansprechendes Design’ ist auf gutem Weg, an die Wahrnehmung der Herstellermarken anzuknüpfen.”
Der Kampf um Sichtbarkeit und Kundenbindung
Dabei war es für Eigenmarken von Händler:innen in der Vergangenheit ungleich schwieriger, sich Vertrauen und Bekanntheit zu erarbeiten, angesichts einer geringeren medialen Sichtbarkeit, die den niedrigen bis kaum vorhandenen Marketing- und Werbeausgaben vieler Händler geschuldet ist. Doch mit zunehmender Preis-Diversifizierung und dem Versuch, eigene Premiumbrands zu etablieren, setzen auch Händler:innen verstärkt auf die emotionalisierende Wirkung von Werbung und anderen Marketingtools, um für ihre Hausmarken zu trommeln. So schaltet Rewe bereits vor zwei Jahren als eine der ersten deutschen Supermarktketten einen TV-Spot, um die Bekanntheit seiner Premium-Handelsmarke REWE Feine Welt voranzutreiben. Zudem nutzen verschiedene Ketten auch immer wieder die sozialen Medien, um ihre exklusiven Eigenmarken gebührend in Szene zu setzen.
Eine weitere Neuerung im Kampf um die Aufmerksamkeit der Kund:innen sind die Single-Product-Brands, die jüngst gezeigt haben, dass sie mit ausgefeilten Werbe- und Marketingstrategien sowie einem innovativen Produkt gegen die Konkurrenz bestehen können. Wie so etwas funktionieren kann, zeigt das Beispiel von True Fruits: Der Smoothie-Hersteller macht immer wieder erfolgreich mit auffälliger Werbung auf sich aufmerksam und bleibt so im Gedächtnis.
Fazit: Die Grenzen der Handelsmarke
Am Beispiel True Fruits zeigt sich jedoch auch, wo die Grenzen jeder Handelsmarkenstrategie im Einzelhandel liegen – und mag sie noch so ausgeklügelt sein. Während Herstellermarken weltweit mit wirksamen kreativen Marketingkampagnen über die unterschiedlichsten Vertriebswege und Händler:innen distribuiert werden, bleiben Handelsmarken immer auf die eigenen Verkaufsflächen limitiert, auch wenn sie für das Marketing noch so tief in die Tasche greifen.
Aktuelle Zahlen und Trends zeigen, dass Händler:innen es geschafft haben, das angestaubte Image ihrer Eigenmarken aufzupolieren. Kluge Diversifikationsstrategien in Kombination mit einem geschickten (wenn auch begrenzten) Einsatz von Werbung und Marketingmaßnahmen haben dazu geführt, dass Verbraucher:innen heute nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass Produkte einer Handelsmarke qualitativ minderwertiger sind. So weit haben Händler:innen ihre Hausaufgaben erfolgreich gemacht.
Nur gehört zur Wahrheit eben auch, dass Eigenmarken im Durchschnitt lediglich einen Marktanteil von 5 bis 10 Prozent besitzen – mal etwas mehr, mal etwas weniger, je nach Produktkategorie. Werte, die sich in den vergangenen Jahrzehnten nur marginal verändert haben. Die Gründe liegen in den genannten natürlichen Grenzen jeder Handelsmarkenstrategie. Die Frage lautet also weniger, ob aktuell eher Herstellermarken oder Handelsmarken die Nase im Kampf um Sichtbarkeit und Kundenbindung vorn haben, sondern vielmehr: Gibt es überhaupt einen Wettbewerb und Rennen auf Augenhöhe?