Viele Regierungen haben Hilfspakete angekündigt, um Start-ups vor den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zu bewahren. Finanzspritzen, Darlehen, Steuerstundungen oder Unterstützung bei den Personalkosten sollen Start-ups bei der Krisenbewältigung helfen. Aber werden diese Maßnahmen ausreichen, um die Existenz von jungen Unternehmen zu sichern?
Warum Start-ups in der Krise Hilfe brauchen
Die aktuelle Krise stellt für Start-ups eine große Herausforderung dar. Doch selbst unter normalen Umständen haben viele Start-ups eine sehr geringe Fehlermarge und knappe Liquiditätsreserven. Für diejenigen, die eine Kapitalbeschaffung anstreben, ist der Zugang zu Investoren und Venture Capital Unternehmen (VCs) in einer Krise oft schwieriger, da sich Investoren in der Regel zuerst um ihr bestehendes Portfolio kümmern. Darüber hinaus verlieren Start-ups in ihren Anfangsjahren oft Geld, weshalb sie für viele der Wirtschaftspakete zur Unterstützung von Kleinunternehmen nicht in Frage kommen.
Finanzspritzen
Viele Länder haben dieses Problem mittlerweile erkannt und spezielle Finanzhilfsprogramme für junge Unternehmen eingerichtet. Frankreich ebnete den Weg und kündigte am 25. März eine Finanzspritze von vier Milliarden Euro für Start-ups an. Dazu gehören Überbrückungsfinanzierungen zwischen zwei Investitionsrunden, staatliche Darlehen sowie Steuererleichterungen und Zuschusszahlungen. Die deutsche Regierung hat außerdem angekündigt, dass sie zwei Milliarden Euro an finanzieller Unterstützung bereitstellen werde, um junge Technologieunternehmen am Leben zu erhalten. Diese Unterstützung besteht aus zwei Säulen: einer für VC-finanzierte Start-ups, bei denen private Investitionen von VCs im Verhältnis drei (private Mittel) zu sieben (öffentliche Gelder) zusammenkommen, und einer für nicht VC-gestützte Start-ups. Darüber hinaus zieht Deutschland einen längerfristigen Fonds von zehn Milliarden Eurofür größere Start-ups in Erwägung. Das Vereinigte Königreich – dessen privatwirtschaftliche Technologie-Start-ups die höchsten Finanzmittel in ganz Europa erhalten – hat ebenfalls eine Milliarde britische Pfund an Unterstützung für Start-ups zugesagt, einschließlich Zuschüssen, Darlehen und einem Rettungsfonds für Start-ups.
Die meisten europäischen Länder, darunter Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien, haben zudem bestätigt, dass ihre staatlichen Kreditgeber und Banken Darlehen für Unternehmen mit dringendem Finanzierungsbedarf bereitstellen oder übernehmen werden. Laut Paul-François Fournier, dem Geschäftsführer der französischen nationalen Investitionsbank Bpifrance, hat das Kreditgarantieprogramm des Landes bisher zu Auszahlungen von 1,5 Milliarden Euro an Start-ups geführt. Das Programm bietet einen Zinssatz von 0,25 Prozent ohne Rückzahlung im ersten Jahr. Zudem lässt sich das Darlehen auf bis zu fünf Jahre verlängern.
Steuerstundungen
Eine weitere wichtige Säule bei den von vielen Ländern angebotenen Hilfen ist die Möglichkeit für Unternehmen, ihre Steuerzahlungen aufzuschieben. So können Start-ups die Belastung durch sinkende Umsätze mildern. Diese Option bieten unter anderem Frankreich, Spanien, Deutschland und Großbritannien. Italien und Schweden sind sogar noch weitergegangen und erlassen Unternehmen in bestimmten Zeiträumen vollständig ihre Steuern. Italien hat angekündigt, dass Unternehmen, die weniger als zwei Millionen Euro verdienen, überhaupt keine Steuern zahlen müssen. Schweden dagegen hat angegeben, dass die nationale Steuerbehörde die von den Unternehmen gezahlten Steuern für die erste Hälfte des Jahres 2020 zurückerstatten wird. Zudem können Unternehmen die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Lohnvorsteuer und Mehrwertsteuer bis zu zwölf Monate aufschieben. Beide Maßnahmen werden den schwedischen Staat schätzungsweise rund sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten.
Anreize zur Vermeidung von Personalabbau
Viele Regierungen ergreifen Maßnahmen, um allen Unternehmen Anreize zu bieten, ihre Mitarbeiter dank kurzfristiger Subventionierung der Gehälter weiterhin zu beschäftigen. In vielen europäischen Ländern haben etwa 50 Prozent der Start-ups ihre Mitarbeiter vorübergehend beurlaubt. Um darauf angemessen zu reagieren, haben die Länder eine Vielzahl von Modellen implementiert: Am oberen Ende der Skala stehen Länder wie Irland, das den beurlaubten Arbeitnehmern 100 Prozent ihres Nettogehalts bezahlt, wenn die Mitarbeiter überhaupt nicht arbeiten oder in Kurzarbeit sind. 30 Prozent übernimmt der Arbeitgeber, 70 Prozent der Staat. Auch das Vereinigte Königreich zeigt sich großzügig: Der Staat subventioniert Unternehmen, die ihre Mitarbeiter beurlauben, mit 80 Prozent des Bruttogehalts bei einem Höchsteinkommen von bis zu 2.500 Pfund pro Monat. Einzige Bedingung: Diese Mitarbeiter dürfen während ihres Urlaubs nicht arbeiten (prominente Beispiele sind die digitale Bank Monzo und die Sporttechnik-Plattform Freestak). Ab August sind die Unternehmen allerdings aufgefordert, sich an den Kosten des Programms zu beteiligen. Zudem können sie ihre Mitarbeiter zur Kurzarbeit auffordern. Am unteren Ende der Skala befinden sich die USA: Sie erlauben Unternehmen, ihre Mitarbeiter zwar zu beurlauben und in Beschäftigung zu halten, aber sie stellen keine staatliche Finanzhilfe zur Verfügung. Interessant in diesem Zusammenhang: In den USA waren die Entlassungszahlen gerade bei Start-ups besonders hoch – layoffs.fyi schätzt die Zahl der Entlassungen seit dem 11. März auf über 50.000 in 433 Start-ups.
Einige Länder verlangen von den Arbeitgebern, dass sie die Arbeitszeit der Arbeitnehmer reduzieren, anstatt sie zu entlassen. In Deutschland erstattet die Regierung Unternehmen 60 Prozent – beziehungsweise bei Arbeitnehmern mit Kindern 67 Prozent – der Kosten für die Nettoeinkommen von Kurzarbeitern. Die Bedingung: Die Unternehmen dürfen die Arbeitszeit der Arbeitnehmer nicht ganz aufheben, sondern nur verkürzen (prominente Beispiele sind die jungen Technologie- und Mobilitätsunternehmen GetYourGuide, FromAtoB, Flixmobility und Tourlane).
Ist das ausreichend?
Eine Umfrage des Bundesverbandes Deutsche Start-ups unter über 1.000 jungen Unternehmen hat die Dringlichkeit der Situation aufgezeigt. 90 Prozent der Unternehmen sind von der Corona-Krise negativ betroffen, 70 Prozent fürchten sogar um ihre Existenz. Viele haben angegeben, dass sie in den nächsten Monaten frisches Kapital benötigen, um einen Konkurs zu vermeiden – allerdings sind nicht alle drohenden Unternehmenspleiten durch die Corona-Krise verursacht und in vielen Fällen hat sie die Situation nur beschleunigt. Eine Studie der Datenplattform Europeanstartups.co bestätigt, dass die Reise-, Mobilitäts- und Immobiliensektoren am stärksten von der Krise betroffen sind.
Dass jedoch so viele Länder die Sonderstellung von Start-ups erkannt und entsprechend mit Finanzhilfen reagiert haben, ist ein positiver erster Schritt. Viele Fachleute erkennen auch an, dass die Finanzhilfeprogramme nicht nur Geld bieten, sondern Investoren auch Vertrauen vermitteln. Ein Kritikpunkt jedoch ist das Timing: In Deutschland sagte der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Start-ups und Investor Christian Miele dem Handelsblatt: „Im Grunde hat die Regierung bisher gute Arbeit geleistet. Der einzige Vorwurf, den man machen kann, ist, dass zu viel wertvolle Zeit verstrichen ist“.
Unser Fazit
Viele Länder haben lange gebraucht, um zu erkennen, dass auch Start-ups während der Corona-Krise Hilfe brauchen. Unterstützung ist nun endlich durch eine Vielzahl von länderspezifischen Förderpaketen verfügbar. Eine komplette Zusammenfassung der Hilfspakete in den einzelnen Ländern gibt es hier: