Die Zahl der Online-Lieferdienste von Lebensmitteln und Getränken nimmt in Deutschland stetig zu. Mit ihr wächst auch die Neugründungen spannender Start-ups mit innovativen Geschäftsmodellen. Eines davon: Die flaschenpost. Das Start-up wurde 2016 in Münster gegründet, beschäftigt heute 8.000 Mitarbeiter und liefert über 500.000 Getränkekisten pro Woche aus. Wir sprachen mit Christopher Huesmann, Chief Marketing Officer bei der flaschenpost darüber, wie das Unternehmen diese unglaublichen Zahlen in nur vier Jahren erreicht hat.
Was beinhaltet das Angebot der flaschenpost?
Wir sind ein Online-Getränkeversand, der sich vor allem durch seinen Service von der Konkurrenz abhebt: Wir garantieren, die Getränkebestellung innerhalb von 120 Minuten auszuliefern, nehmen die Pfandflaschen zurück und dazu ist unser Liefer-Service kostenlos. Unser Kernangebot sind Getränke, da diese beim Einkaufen am schwersten und sperrigsten zu transportieren sind und wir damit dem Kunden die Last abnehmen. Mittlerweile haben wir unser Sortiment aber deutlich erweitert und bieten inzwischen auch Produkte wie Snacks, Chips, Kaffee und Milch fürs Büro, Hygieneprodukte und sogar Weihnachtsbäume zur Weihnachtszeit an.
Unsere Zielgruppe ist dabei sehr breit: Unsere Kunden reichen von Studenten, die womöglich kein Auto haben, über Rentner, die vielleicht nicht gerne Auto fahren, bis hin zu Familien, die das Wochenende lieber zusammen verbringen, als vor dem Pfandautomat zu stehen. Mit unserem flexiblen Lieferdienst können unsere Kunden ihre Getränke bestellen, wie und wann sie sie brauchen.
Wie funktioniert das Geschäftsmodell?
Wir haben einen sehr starken Fokus auf IT und Logistik. Dafür haben wir ein firmeninternes ERP-System (Enterprise Resource Planning) aufgebaut, das die Online-Bestellung über unsere Website und App mit unseren Logistik-, Planungs- und Abrechnungssystemen integriert. Da alles, was wir tun, integriert ist, können wir unseren Kunden mitteilen, wann die Getränke verpackt und in die Lieferwagen verladen worden sind und wann die Getränke ankommen werden. Außerdem ziehen wir das Flaschenpfand an der Wohnungstür direkt von der Endabrechnung des Kunden ab.
Euer CEO Stephen Weich sagt, dass Kunden nach der Erstbestellung oft ein „Abonnement-Verhalten“ zeigen. Was genau bedeutet das und wie habt Ihr das erreicht?
Mit Abonnement-Verhalten meinen wir, dass unsere Kunden im Durchschnitt mehr als einmal im Monat bei uns bestellen. Schließlich gehen jedem irgendwann einmal die Getränke aus. Wir bieten einen ausgezeichneten Service, so dass die Kunden bei Bedarf normalerweise bei uns eine neue Bestellung aufgeben. Wir sehen, dass die Kunden uns in ihre wöchentliche Routine integrieren und die Bestellung jede Woche oder alle zwei Wochen zur gleichen Zeit aufgeben. Dadurch müssen wir keine Ressourcen für zusätzliche Marketingaktivitäten für unsere bestehenden Kunden aufwenden.
Das klingt aus Ressourcen-Perspektive gut, aber wie gewinnt Ihr neue Kunden?
Organisches Word-of-Mouth-Marketing ist für uns extrem wichtig. Wir streben nach operativer Exzellenz in der gesamten Customer Experience, die für Zufriedenheit bei unseren Kunden sorgt und sie dazu animiert, uns ihren Freunden und Bekannten weiterzuempfehlen. Unser NPS (Net Promoter Score) liegt so regelmäßig über 80 oder 90. Es hilft natürlich, dass die flaschenpost eine großartige Marke ist, mit der sich unsere Kunden gerne identifizieren. Getränke sind sehr emotionale Produkte und man verbinden sie mit positiven Erlebnissen. Getränke erinnern uns an glückliche Zeiten: Wenn man Sport treibt und voller Endorphine ist oder man sich mit Freunden trifft.
Was sind Deine Top-Tipps für Start-ups mit ähnlichen Geschäftsmodellen, die in neuen Städten launchen wollen?
Seid mutig, sowohl in finanzieller als auch in kreativer Hinsicht. Da wir eine extrem breite Zielgruppe haben, im Wesentlichen alle zwischen 16 und 80 Jahren, die eine Website oder eine App nutzen können, ist es wichtig, zu Beginn ein Maximum an Volumen und Reichweite zu generieren. Das bedeutet Out-of-Home-Kampagnen, Display- und auch TV-Werbung. Damit schaffen wir eine Basis, aus der dann Mund-zu-Mund-Propaganda und Suchanfragen entstehen.
Als wir beispielsweise an unserem zweiten Standort in Köln starteten, haben wir von unserem ersten Standort in Münster gelernt, nicht in Werbeflächen auf den Fernbahnsteigen am Bahnhof zu investieren, sondern stattdessen auf den Regional- und U-Bahnsteigen. Damit erreichten wir Menschen, die in Köln wohnten und – weil es sich um öffentliche Verkehrsmittel handelte – auch Menschen, die womöglich kein Auto hatten.
Das bedeutet, Ihr investiert auch in Suchmaschinen und soziale Medien?
Genau. Als wir unseren zweiten Standort in Köln eröffneten, haben wir diesen auch über Social Media Posts angekündigt. Wir stellten fest, dass viele unserer Kunden aus Münster – wo wir zuvor gestartet waren – ihre Freunde unter den Posts taggten und ihnen erzählten, wie die flaschenpost ihnen ihr Leben erleichtert. Genau diese Art von Engagement muss man fördern: die bestehende Kunden-Community aktiv miteinbinden und ihnen die Mittel an die Hand geben, um die entsprechende Botschaft zu verbreiten.
Wie gelingt es, die Preise gleich (oder zumindest nicht wesentlich höher) als im Supermarkt zu halten?
Wir haben einen sehr schlanken Service. Der Raum Düsseldorf und Neuss sind gute Beispiele. Um dieses Gebiet mit Supermärkten zu versorgen, bräuchte man dutzende Supermärkte, aber wir bedienen beide Gebiete von einem Lager aus. Hinzu kommt, dass wir alleine hier eine extrem hohe Auftragsdichte mit 2.000 bis 3.000 Bestellungen pro Tag haben. Das bedeutet, dass unsere Auslieferungsfahrer am Ende vielleicht nur ein paar hundert Meter zwischen den Kunden zurücklegen. Wir sind so extrem effizient – viel nachhaltiger, als wenn der Kunde seine Getränke selbst abholen würde.
Es wird viel darüber gesprochen, dass Amazon während der Pandemie Teil der kritischen Infrastruktur wurde. Ist es Euer Ziel, dass die flaschenpost im Leben der Menschen genauso wichtig wird?
Unser Ziel ist es in erster Linie, den Menschen das Leben zu erleichtern. Wir erhalten aktuell über 500.000 Bestellungen pro Monat, so dass wir bereits ein wesentlicher Bestandteil des Lebens vieler Menschen sind. Das bringt aber natürlich auch eine gewisse Verantwortung mit sich. Als die Pandemie Europa erreichte, bestand unsere erste Priorität vor allem darin, die Sicherheit unserer Mitarbeiter und Kunden zu gewährleisten. Da die Pandemie zu einer erhöhten Nachfrage führte, bestand der nächste Schritt darin, sicherzustellen, dass wir diese Nachfrage befriedigen konnten, sodass keiner, der in solchen Zeiten nicht möchte, gezwungen ist, in den Getränkemarkt zu fahren. Zu Beginn der Pandemie haben wir unsere maximale Lieferzeit für zwei Wochen um eine Stunde auf 180 Minuten erhöht und so die notwendigen Kapazitäten geschaffen, um die Versorgung sicherzustellen. Da wir unsere Kunden vor der Bestellung darüber informiert hatten, waren sie sehr verständnisvoll. In solchen Situationen ist es wichtig, offen, ehrlich und transparent mit den Kunden umzugehen.
Wie sehen die Wachstumspläne für die Zukunft aus?
Es gibt viele Möglichkeiten für uns, weiter zu expandieren. Internationalisierung ist dabei ein spannendes Thema, aber auch in Deutschland gibt es noch Wachstumspotenzial. Damit wir Deutschland vollständig abdecken können, brauchen wir 40 bis 50 Lagerstandorte – derzeit haben wir 23. Wir haben auch Pläne, unsere Produktpalette zu erweitern. Schließlich haben wir eine Infrastruktur aufgebaut, die es uns nicht nur erlaubt, Getränke auszuliefern. Wir haben mit unseren Weihnachtsbäumen gezeigt, dass wir fast alles liefern können! Eines ist uns dabei aber vor allem wichtig: Eine gesunde Expansion – Schritt für Schritt.