Wie der Fidget Spinner unsere Herzen (und unsere Geldbörsen) erobert hat

Wer Augen im Kopf, Kinder oder Zugang zum Internet hat, dem dürfte der Hype um den Fidget Spinner nicht entgangen sein. Ursprünglich entwickelt, um Hyperaktivität bei Kindern zu behandeln, hat sich das kleine Metall-Spielzeug in kürzester Zeit zu dem Must-Have fürs Kinderzimmer entwickelt. Beim E-Commerce-Riesen Amazon verkauft sich das Gadget nach eigenen Angaben wie geschnitten Brot: So handelt es sich mittlerweile bei sage und schreibe 74 von 100 geshoppten Spielzeugen auf der Online-Plattform um den Fidget Spinner. Grund genug für uns zu fragen: Wie konnte der Trend so schnell unsere Herzen und unsere Geldbörsen erobern?

Das Einmaleins des Fidget Spinners

Der Fidget Spinner ist ein kleines Gadget, das es in verschiedenen Bauarten gibt. Grundsätzlich befindet sich in der Mitte ein Kugellager, von dem meist drei Flügel abgehen. Ziel ist es, das Spielzeug auf dem Finger zu balancieren und es dabei in Rotation zu versetzen. Erfunden wurde der Fidget Spinner von der US-Amerikanerin Catherine Hettinger, die ihren Kindern damit helfen wollte, aufgestaute Energie abzulassen.

Das Fidget Spinner-Phänomen in Zahlen 

Dass der Hype um das kleine Spielzeug die Welt im Sturm erobert hat, steht außer Frage. Videos auf YouTube mit Tipps und Tricks für begeisterte Fidget Spinners kommen nicht selten auf über 15 Millionen Views. In Deutschland verzeichnet „Fidget Spinner“ momentan doppelt so viele Google-Suchanfragen wie „Snapchat“. Allein auf Amazon, Ebay und Alibaba gibt es mittlerweile über 11.000 Anbieter. Frank Jordan, Analyst bei Marketplace Analytics, schätzt, dass nur auf Amazon jeden Monat über 100.000 der kleinen Metall-Gadgets verkauft werden.

Wie wurde es einem einfachen Spielzeug ein solcher Trend?

Es gibt viele Faktoren, die dazu beigetragen haben, den Fidget Spinner zu dem Must-Have-Spielzeug 2017 zu machen.

Als Premium-Spielzeug zum Medienliebling

2015 entwickelte das US-Unternehmen MD Engineering die Idee eines Anti-Stress-Spielzeugs für Büros. Das Ergebnis war Torqbar, eine Premium-Version des Fidget Spinner. Im September desselben Jahres begann das Unternehmen, das Gadget auf Facebook zu bewerben, einen Monat später wurde eine Crowdfunding-Kampagne auf GoFundMe gestartet. In kürzester Zeit war das Spielzeug so gefragt, dass es Forbes im Dezember 2016 als das „iPhone der Schreibtisch-Gadgets“ anpries.

Viele kleine Hersteller mit individuellen Online-Marketing-Strategien

Das Premium-Produkt Torqbar gab den Startschuss für tausende, vor allem chinesische Billig-Copycats, die alle ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Doch welche Marketing-Strategie fahren die Platzhirsche unter den Anbietern, um sich gegen die Schiere Masse an Konkurrenten zu behaupten, die sich einen wahren Preiskrieg liefern?

‍Die New Yorker Teenager Cooper Weiss und Allan Maman sind die Gründer von Fidget 360 und vertreiben einen Fidget Spinner unter gleichem Namen. Vorgestellt wurde das Gadget im vergangenen Jahr erstmals auf Instagram, wo eine 15-Dollar-Influencer-Werbekampagne in kürzester Zeit zu Verkäufen in Höhe von 2000 US-Dollar führte. Mittlerweile haben die Teenager über 160.000 Abonnenten auf Instagram, fünf Angestellte und eine New Yorker Fabrik.

Eine andere Strategie wählte das Spinner-Unternehmen Technopoint: Die Österreicher setzen stärker auf Facebook- und Amazon-Werbung, um Traffic zu generieren.  Laut Geschäftsführer Helmut Eder beläuft sich der Facebook-Klickpreis (CPC) auf ungefähr sechs Cent, während Werbung auf E-Commerce-Plattformen wie Amazon mit einem CPC um zwei Euro um ein Vielfaches teurer ist. Dabei sei die Conversion-Rate dort eben auch merklich besser, da – wie er sagt – „die Nutzer viel stärker in Kauflaune sind. Sie haben ihre Geldbörsen quasi schon geöffnet“.

MD Engeneering setzt bei ihrem Torqbar wiederum vor allem auf das Apple-Prinzip: Hohe Qualität und einfache Handhabung. Hinzukommt, dass die Zahl der verfügbaren Geräte extrem limitiert ist, ein Umstand, der dazu geführt hat, dass es mittlerweile eine extrem leidenschaftliche Community an Torqbar-Liebhabern auf Facebook und YouTube gibt. Der Hersteller des Premiumprodukts kann nicht zuletzt deshalb auch wahre Premiumpreise aufrufen: Auf Ebay haben Torqbars vereinzelt bereits für über 400 Euro den Besitzer gewechselt – mehr als das Doppelte des Ladenpreises.

Spinners in Schulen

Dem Vorbild des Originalmodels von Hettinger folgend, vermarkteten viele der Hersteller ihre Fidget Spinner zunächst als Produkt gegen ADHS (auch wenn dies wissenschaftlich nie nachgewiesen wurde). Als schließlich immer mehr Kinder ihrer Spinner mit in die Schule nahmen, verselbstständigte sich die Entwicklung: Immer mehr Gleichaltrige wollte ebenfalls das kleine Metall-Gadget, die Nachfrage stieg exponentiell.

Experten sprechen dabei von der Angst, etwas zu verpassen – ein Phänomen, das besonders unter jungen Menschen verbreitet ist. Chris Hodkinson, leitender Dozent für Konsumentenverhalten an der University of Queensland Business School, führt derlei Modeerscheinungen auf unsere Angst zurück, nicht dazu zu gehören: „Die Furcht davor, dass ihnen etwas entgeht, birgt [grade bei Schülern] ein enormes Antriebspotential“. Margo Berman, Professor für Werbung an der Florida International University, bringt es auf den Punkt: „Kinder sehen etwas, das sie als cool empfinden und schon wollen sie das, was eine andere Person hat. Ganz plötzlich entsteht bei ihnen der Wunsch, dieses Etwas zu besitzen“. 

Chris Hodkinson verweist außerdem auf die sogenannte Hierarchie des Besitzes, die mit einem Produkt wie dem Fidget Spinner einhergeht. „Je auffälliger dein Spinner ist und je mehr Tricks du mit ihm machen kannst, desto höher stehst du in der Rangordnung, desto besser ist dein Status. Insbesondere der Preis der Spinner und seine Features entschieden über deine Stellung in der Hierarchie. Kinder können mit ihrem Spinner zeigen, wie cool sie sind. Das macht dieses Gadget so erstrebenswert“, erklärt Hodkinson. 

Dass viele Schulen damit begonnen haben, den Fidget Spinner zu verbieten, zahlt zusätzlich auf die Popularität des Spielzeugs ein. Denn jeder von uns weiß: Insbesondere die Dinge, die wir nicht haben können, wollen wir umso mehr. 

Die Spinner als Viral-Hit

Erste Medien begannen früh über den aufkommenden Spinner-Hype zu berichten – mit durchaus positivem Effekt auf die Verkaufszahlen. Doch der wirkliche Durchbruch erfolgte erst ab dem Zeitpunkt, ab dem Fans begannen, eigene Videos und Postings mit dem Gadget im Social Web zu veröffentlichen. Dabei profitierten die Spinner-Hersteller vor allem von ihrer jungen, internetaffinen Zielgruppe.

Eines scheint festzustehen: Mit Fidget Spinner lässt sich Online-Content produzieren, der Menschen fasziniert und begeistert. Im Internet gibt es mittlerweile eine Vielzahl an YouTube-Videos und Reddit-Threads, die angefangen bei Tutorials über das Präsentieren neuer Tricks und Tests bis hin zu FAQs alles bieten. Insbesondere auf Instagram wird auch das ästhetische Potential der kleinen Metall-Spielzeuge zelebriert. Zudem hat die Fidget Spinner-Community eine Reihe erfolgreicher Internet-Memes ins Leben gerufen, darunter ein Spinner, der sich auf der Nase eines Alligators dreht. Nur ein Beispiel, das zeigt: Fidget Spinner haben einen Hype ausgelöst, weil sie es – anders als andere Spielzeuge – verstehen, Menschen in ihren Bann zu ziehen und sich perfekt dafür eignen, dass Nutzer die eigenen Erfahrungen, Tricks und Tipps mit anderen teilen.

Klar ist, dass der Fidget Spinner erfolgreich einen Hype ausgelöst hat. Doch dahinter stand nicht etwa das erfolgreiche Marketing eines einzigen Unternehmens. Letztlich entwickelte sich der Erfolg des Gadgets organisch auf Basis unterschiedlicher Faktoren: zunächst durch das Interesse der Medien wegen eines Premium-Produkts, dann durch die Anziehungskraft des Spielzeugs unter Schulkindern, durch die Eignung des Spinners für faszinierenden Online-Content und schließlich mithilfe der zahlreichen unterschiedlichen Hersteller, die mit ihren jeweiligen Marketingstrategien dafür sorgten, den Fidget Spinner einem breiten Publikum bekannt zu machen.

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