Fernsehwerbung im Test

Die TV-Werbebranche boomt. Dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) zufolge werden in Deutschland jährlich 400 Millionen Euro für die Produktion von TV-Werbespots ausgegeben, das Medienvolumen beträgt mehr als 5 Milliarden Euro. Gute Fernsehwerbung erfüllt Marken mit Leben. Sie sorgt dafür, dass Kunden Marken im Geschäft wiedererkennen und die beworbenen Produkte (im Idealfall) auch kaufen. Ein gutes Werbekonzept ist allerdings nur der Anfang. Um herauszufinden, ob eine Kampagne wirklich beim Zielpublikum ankommt, bedarf es wissenschaftlich fundierter Tests. Ein Blick hinter die Kulissen des Advertising Research Teams der ProSiebenSat.1 Gruppe zeigt, wie das gelingen kann.

Was spricht dafür, Werbespots testen zu lassen?

Unternehmen können es sich schlicht nicht leisten, Tausende von Euro für einen Werbespot oder eine Kampagne mit hoher Reichweite auszugeben, ohne zu wissen, wie sich dies auf ihre Marke auswirkt. Erst im April musste Pepsi einen kostspielig produzierten Werbeclip zurückziehen, in dem das bekannte US-Model Kendall Jenner einen Streit zwischen sich gegenüberstehenden Polizisten und Demonstranten mittels Softdrinks zu beschwichtigen versucht.  Nach eigenen Aussagen wollte das Unternehmen damit eine „Botschaft der Einheit, des Friedens und des Verständnisses“ senden, wurde jedoch auf breiter Ebene dafür kritisiert und mit dem Vorwurf konfrontiert, soziale Protestbewegungen zu banalisieren. Ein teurer Fehler des Coca Cola-Konkurrenten:  Nicht nur mit Blick auf die Millionen, die das Unternehmen für die letztlich wenig erfolgreiche Werbekampagne abschreiben musste, auch der Imageschaden durch die negative Berichterstattung war immens. Mit effektiveren Testings des Spots im Vorfeld wäre Pepsi dies sicherlich erspart geblieben. 

Natürlich sprechen wir hier von einem Extrembeispiel. Im Regelfall testen Unternehmen ihre Werbung schlicht, um sicherzustellen, dass ihre Botschaften und Inhalte beim Publikum auch wirklich ankommen. Und da stets die Gefahr besteht, dass dies nicht der Fall ist, tun Werbeproduzenten gut daran, sich Gewissheit zu verschaffen, bevor sie eine Kampagne starten, mit der sie unter Umständen viel Geld in den Sand setzen können.

In Zeiten von sozialen Medien verbreitet sich negatives Feedback zu einer Kampagne in Windeseile. Glücklicherweise können jedoch die gleichen Technologien, die diese rasche Verbreitung ermöglichen, auch dafür genutzt werden, vor dem Start einer Werbekampagne schnell und einfach Feedback aus der Zielgruppe einzuholen.

Ansätze und Methoden

Wir verfolgen beim Testen von Werbung direkt oder in der Zusammenarbeit mit unabhängigen Instituten im Wesentlichen drei Ansätze:

  • Steady State Topography (SST): Bei einem regulären SST-Test werden kleine Sensoren an den Köpfen der Testperson angebracht, die elektrische Aktivität in den verschiedenen Hirnregionen messen, während die Person Werbematerial betrachtet. Dies ist die einzige Methode, die einen authentischen Einblick in das Unterbewusste der Testteilnehmer und eine entsprechende Analyse in Echtzeit ermöglicht. Häufig werden die Testpersonen vor dem neurologischen Test aufgefordert, einen Fragebogen auszufüllen, mit dem ihr Markenwissen und ihre Kaufbereitschaft ermittelt werden soll. Hierbei handelt es sich um eine extrem komplexe und kostspielige Methode, die sich nur für die Grundlagenforschung eignet.
  • Computergestützte Face-to-Face-Interviews (CAPI): Hier werden die Teilnehmer in ein Studio eingeladen und gebeten, sich eine kurze Fernsehsendung mit einer Werbeunterbrechung anzusehen. Im Anschluss wird ihnen eine Reihe von (gestützten und ungestützten) Fragen zu der Werbung gestellt, die sie gerade gesehen haben. Da die Testpersonen eine Programmstrecke mit eingebundener Werbung sehen, eignet sich diese Methode besonders gut zur Bewertung der Aufmerksamkeit, die ein bestimmter Werbeclip im Vergleich zu den Spots von Konkurrenzunternehmen generiert.
  • Befragung im Online-Panel: Dies ist die effizienteste und am weitesten verbreitete Methode, Fernsehwerbung zu testen. Sie liefert schnelle, zuverlässige Ergebnisse. Ein Werbespot wird an rund 100 Personen übermittelt, die einer bestimmten, vorher mit dem Kunden abgesprochenen Bevölkerungsgruppe angehören (meist wird die Teilnehmergruppe nach Alter, Geschlecht und Einkommen ausgewählt). Nachdem die Testpersonen den Spot gesehen haben, wird mithilfe einiger Fragen ihre Reaktion erfasst. Diese Methode liefert auf kostengünstige Weise schnelle quantitative Ergebnisse, lässt jedoch keine Schlussfolgerungen darüber zu, wie stark ein Werbespot von den Zuschauern wirklich wahrgenommen wird.

Die fünf entscheidenden Fragen

Doch egal, welche Methode am Ende zum Einsatz kommt, letztlich geht es immer darum, Antworten auf folgende fünf Fragen zu finden: 

Können sich die Testpersonen an den Marken- und Produktnamen erinnern?

Zu den entscheidenden Aufgaben eines TV-Spots gehört, dass sich die Zuschauer hinterher an den Marken- oder Produktnamen erinnern können. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Name an allen möglichen und unmöglichen Stellen im Spot zu sehen sein muss. Es gilt, ihn kreativ einzubinden und wirksam in die Geschichte zu integrieren. Dies kann besonders gut in Studien erfragt werden, bei denen der Werbeblock in eine Programmstrecke eingebunden ist. Nachdem die Testpersonen das Programm gesehen haben, nennen sie zuerst ungestützt die Namen der Marken, die darin beworben wurden und wählen anschließend gestützt aus einer Liste von Markennamen aus.

Würden die Teilnehmer das Produkt kaufen?

Der Zweck von Fernsehwerbung besteht darin, die Markenbekanntheit und letztlich den Umsatz zu steigern. Befragungen in Online-Panels oder Studiotests eignen sich gut, um die Testpersonen direkt nach ihrer Kaufbereitschaft zu fragen. Sie geben dabei an, wie wahrscheinlich es ist, dass sie das beworbene Produkt auch wirklich kaufen.

Gefällt den Teilnehmern der Werbespot?

Eine Werbekampagne muss natürlich nicht bei allen gut ankommen, um erfolgreich zu sein, doch Sympathie hilft sicherlich beim Erfolg einer Kampagne. Im Zuge von Online-Panels fragen wir die Testpersonen nicht nur, ob ihnen ein Werbespot gefällt, sondern bitten sie auch, seine verschiedenen Aspekte zu bewerten (Voice-over, Musik, Schauspieler usw.). Der SST-Test ist dabei ein hilfreicher Indikator dafür, wie hoch die Sympathie einer Testperson für einen TV-Sport ist: So misst er die elektrischen Hirnimpulse eines Teilnehmers, der eine entsprechende Frage beantwortet, und ermittelt somit objektiv, wie stark sich die Person angesprochen fühlt (persönliche Relevanz), wie intensiv ihre emotionale Reaktion ausfällt (wie viel Aufmerksamkeit erregt wird) und welche Emotionen ausgelöst werden (ob der Teilnehmer positiv oder negativ auf das Gesehene reagiert). 

Welche Schlüsselbotschaften vermittelt der Werbespot?

Bei unseren Online-Tests fragen wir nach dem Vorspielen des Werbespots offen, welche Schlüsselbotschaften den Testpersonen besonders im Gedächtnis geblieben sind. Das sogenannte Memory Encoding ist der wichtigste Parameter bei SST-Tests. Mit ihm wird gemessen, wie stark Werbebotschaften im Langzeitgedächtnis verankert werden. 

Ist es für Testpersonen einfach, das Produkt / die Marke im Internet zu finden? 

Viele E-Commerce-Unternehmen haben aus nachvollziehbaren Gründen ein großes Interesse an dieser Frage. Wenn der Name ihres Produkts oder ihrer Marke kaum mit ihrer Web-Präsenz in Verbindung zu bringen ist, kann sich die Online-Suche für Interessenten schwierig gestalten. Im Rahmen unserer Online-Tests fragen wir die Teilnehmer unter anderem, was sie in die Adresszeile des Browsers eingeben würden, um die Produkt-Website zu finden. 

Der wesentliche Zweck von Fernsehwerbung besteht darin, Marken im Bewusstsein der Zuschauer zu verankern und so „mental abrufbar“ zu machen. Anders ausgedrückt geht es darum, sicherzustellen, dass Zuschauer die beworbene Marke im Geschäft wiedererkennen und dann auch kaufen. Das mag einfach klingen, gestaltet sich in der Realität jedoch äußerst schwierig. Mithilfe der beschriebenen Methoden testen wir vor dem Beginn einer Kampagne, ob ein TV-Werbespot tatsächlich Wirkung zeigt. So lassen sich böse Überraschungen vermeiden.

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Johanna Teichmann, Studium der Kommunikationswissenschaft und BWL, Berufslaufbahn gestartet in einer Mediaagentur, seit vielen Jahren Head of Advertising Research bei SevenOne Media, beschäftigt sich dort mit Studien zur Werbewirkung.

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