Mithilfe des Eye Trackings kann ein Marketing-Team feststellen, welche Produkte bzw. Verpackungen, Werbeanzeigen oder Bereiche einer Website das Interesse von Verbraucher:innen auf sich ziehen. Welche Entwicklung hat diese marketingrelevante Technologie genommen und gibt es neue Erkenntnisse? Wir haben uns die Forschungsmethode, ihren Nutzen für das Marketing und ihre Grenzen genauer angesehen.
Wie funktioniert Eye Tracking?
Die technische Seite des Eye Trackings gestaltet sich relativ einfach. Moderne Geräte nutzen LEDs im Infrarotbereich oder Near Infrared Light (NIR) zusammen mit einer hochauflösenden Kamera, um die Blickrichtung von Proband:innen zu verfolgen. Somit lassen sich:
- Blickpunkte und Fixationspunkte (zeitlich und räumlich beieinander liegende Blickpunkte) messen
- Heatmaps mit den am häufigsten betrachteten Bereichen einer Verpackung oder einer Website erstellen
- Scan-Muster mit der Betrachtungsreihenfolge unterschiedlicher Elemente entwickeln
- Die Verweildauer des Blicks auf einen bestimmten Bereich messen
Unpraktische Kopfhalterungen mit vielen Steckern und Drähten sind inzwischen nicht mehr unbedingt notwendig. Eye Tracking ist heute erschwinglicher, weniger invasiv und kann mit speziellen Brillen und Monitoren durchgeführt werden. Webcams und mobile Software haben sich ebenfalls weiterentwickelt, sodass sich Eye Tracking-Tests, zum Beispiel für die mobile UX-Forschung, auch direkt auf dem Smartphone durchführen lassen, ohne dass zusätzliche Hardware notwendig ist.
Eye Tracking-Erkenntnisse für den Digitalbereich
Eye Tracking kann damit bei der Gestaltung und Optimierung (mobiler) Webseiten eingesetzt werden. So lässt sich etwa die Nutzung von E-Commerce-Seiten optimieren. Höhere Klickraten können erzeugt, ein effektiverer Call-to-Action (CTA) konzipiert und letztlich höhere Konversionsraten generiert werden. Gerade für die Webseitengestaltung konnten auf diese Weise und im Laufe der Zeit immer wieder wichtige Erkenntnisse abgeleitet werden:
- Am F-Muster orientieren
Eine der ältesten aber immer noch gültigen Aussagen im Bereich Eye Tracking: Heatmaps belegen mit dem F-Muster, dass Besucher:innen von Webseiten beim Lesen in der Regel links beginnen und ihre Augen nach rechts bewegen. Dies entspricht der von Kindheit an erlernten Leserichtung hierzulande. Wir schenken den Informationen auf der linken Seite also zunächst mehr Aufmerksamkeit. Das trifft auch zu, je weiter wir den Blick nach unten bewegen. Es ist also sinnvoll, die relevantesten Inhalte, die du vermitteln möchtest, und die CTAs, auf die du aufmerksam machen möchtest, auf eine Weise anzuordnen, die dem F-Muster entsprechen.
Das Muster zeigt darüber hinaus, dass insbesondere der Kopfzeile einer Website viel Beachtung geschenkt wird. Es kann sich also lohnen, wichtige Daten und Hinweise zum Versand, die Kontaktnummer, interessante Angebote oder Geld-zurück-Garantien an dieser Stelle zu positionieren.
- Videos in SERPs einsetzen
Auch Suchmaschinen reagieren auf die Forschungsergebnisse und stellen nach und nach immer mehr Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen man sich von der Konkurrenz abheben kann. So etwa durch die Einführung von Videosnippets: Denn visuelle Elemente wie Bilder und Videos sprechen Menschen eher an als lange Texte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auf Suchergebnisseiten (SERPs) jene Beiträge mit Miniaturansichten von Videos mehr Aufmerksamkeit erregen als die reine Textform. User:innen neigen hierbei dazu, sich die Bilder zuerst anzusehen, wenn es sich um fesselndes Bildmaterial handelt. Das belegen unter anderem Heatmaps, die vom SEO-Software-Anbieter Moz erstellt wurden und eine klare Konzentration der Blicke auf Video-Vorschaubilder und Produktbilder bei den Ergebnissen bestimmter Suchbegriffe zeigen.
- Scrolling auf mobilen Endgeräten berücksichtigen
Spannende neue Erkenntnisse liefern auch neueste Untersuchungen auf mobilen Geräten. Immerhin findet inzwischen ein großer Teil aller Suchanfragen via Handy, Tablet & Co. statt. Eine Studie der Berliner eye square GmbH, die mit einer Smartphone-Variante dieser Technologie und 100 Teilnehmer:innen in den USA durchgeführt wurde, fand etwa heraus, dass gerade einmal weniger als 10 Prozent der Testpersonen auf Online-Shopping-Seiten nach unten zu weiteren Produkten scrollten. Dies spricht dafür, dass sich die Kundschaft visuell eher “above the fold” orientiert – zumindest im Bereich E-Commerce. Darüber hinaus ließ sich auch feststellen, dass die Teilnehmenden an Produktdetails interessiert waren und entsprechend viel Zeit bei den Produktbeschreibungen verbrachten.
Die Grenzen der Blickverfolgung
Eye Tracking ist kein universell einsetzbares Wundermittel. Bei der Bewertung von Fernsehsendungen und Werbefilmen hat sich die Technologie etwa als weniger effektiv herausgestellt. Hier kann es eher bei der Feststellung helfen, ob bestimmte Slogans oder Logos Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eye Tracking alleine verrät dir aber nicht, ob deinen Kund:innen ein spezifisches Verpackungsdesign gefällt und ob sie nur deswegen planen, das enthaltene Produkt zu kaufen.
Für das Marketing kann Eye Tracking dennoch ein hilfreiches Werkzeug sein. Wichtig ist dabei jedoch, die Ergebnisse richtig einzusortieren und das Nutzungsverhalten auf der jeweiligen Plattform zu berücksichtigen sowie die eigene Zielgruppe möglichst gut zu kennen. Jugendliche Nutzer:innen können zum Beispiel gerade auf Social Media Plattformen Werbung effektiver erkennen und wieder wegklicken, scrollen schneller über das Display als Ältere und wenden sich schneller wieder vom Bildschirm ab, wie ein Überblick zur Studienlage auf Seven.One eindrucksvoll zeigt. Wer diese Generationen mit Werbung erreichen möchte, sollte diese Erkenntnisse berücksichtigen.
Fazit:
Eye Tracking liefert dir zunächst einmal die nötigen Rohdaten, die richtig interpretiert werden müssen, um zu einer erfolgreichen Marketingentscheidung zu gelangen. Auch eine Kombination dieser Methode mit einer oder mehreren anderen kann durchaus sinnvoll sein. Eine Verknüpfung von Eye Tracking mit der EEG-Hirnstrommessung wird im Bereich des Neuromarketings beispielsweise immer beliebter. Hiermit werden sowohl emotionale als auch kognitive Reaktionen erfasst, die ein umfassenderes Verständnis für den Entscheidungsprozess von Verbraucher:innen liefern. Weniger aufwendige Methoden wie Umfragen, Fragebögen, Interviews und Bewertungen können zusätzlich dazu beitragen, ein vollständigeres Bild über die Entscheidungsfindung deiner Kundschaft zu erlangen.