Digital Markets Act: Neue Gatekeeper-Regeln für offenere Märkte?

Müssen sich riesige Social-Media- und Videoplattformen, Suchmaschinen, Messenger- und Cloud-Plattformen innerhalb Europas jetzt warm anziehen? Am 2. Mai 2023 tritt der Digital Markets Act in Kraft, der die Marktmacht der sogenannten Gatekeeper einschränken soll. Diese großen Tech-Konzerne sollen daran gehindert werden, wichtige Spielregeln zu ihren eigenen Gunsten zu gestalten bzw. zu verändern und kleinere Unternehmen und Verbraucher:innen zu benachteiligen. Was das genau bedeutet, welche möglichen Risiken und Chancen sich daraus ergeben können, erklären wir hier. 

Big-Tech auf dem Prüfstand: Was macht einen Gatekeeper aus?

Viele Unternehmen sind auf die ein oder andere Weise von Tech-Konzernen abhängig, um mit ihren Kund:innen zu kommunizieren oder von ihnen in den Tiefen des World Wide Webs gefunden zu werden. Zu den Unternehmungen, die häufig die Funktion eines Torwächters übernehmen und nicht immer uneigennützige Regeln aufstellen, gehören unter anderem:

  • Suchmaschinen
  • Video-Sharing-Plattformen
  • Betriebssysteme
  • Digitale Assistenten
  • Webbrowser
  • Soziale Medien

Tech-Firmen und Plattformen, die in diese Kategorien fallen, müssen in der EU aber eine Reihe von eng definierten Kriterien erfüllen. Zunächst müssen sie innerhalb der Europäischen Union tätig sein und die eigenen Dienstleistungen in mindestens drei EU-Mitgliedsstaaten anbieten. Sie verfügen außerdem über eine starke wirtschaftliche Position, einen Börsenwert von über 7,5 Milliarden Euro und üben großen Einfluss auf den Binnenmarkt aus. Sie haben mindestens 45.000 aktive monatliche End- und 10.000 aktive geschäftliche Nutzer:innen innerhalb der EU. Alternativ konnten sie sich eine dauerhaft gefestigte Position auf dem jeweiligen Markt sichern oder stehen im Begriff, eine solche zu erlangen. Letzteres zeichnet sich dadurch aus, dass die jeweiligen Konzerne die genannten Nutzerzahlen seit mindestens drei Geschäftsjahren erreichen.   

Unfaire Wettbewerbsvorteile eliminieren und Datenschutz optimieren

Um die Tore zum Erfolg für möglichst alle Unternehmen zu öffnen, sollen eben diese Gatekeeper künftig bestimmte Auflagen erfüllen. So müssen sie beispielsweise geschäftlichen User:innen Zugang zu den eigenen Daten gewähren, die sie bei der Verwendung des jeweiligen Services generieren. Bisher war das bestenfalls eingeschränkt und nur für ausgewählte Datensätze möglich. Firmen, die auf den entsprechenden Plattformen Werbung schalten, erhalten die notwendigen Tools und Informationen, um die geschalteten Anzeigen selbstständig und unabhängig auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen zu können. Das verschafft wiederum mehr Kontrolle und einen transparenten Überblick über die eigenen Marketingmaßnahmen. 

Geschäftliche Kund:innen können auch außerhalb der Grenzen der Gatekeeper-Plattformen für ihr Angebot werben und hierfür Verträge abschließen. Gatekeeper dürfen dagegen nicht mehr ihre eigenen Produkte und Services bei den Suchergebnissen bevorzugen oder gar ähnliche Waren und Dienstleistungen von Dritten benachteiligen, z.B. in der Rangfolge weiter nach hinten verschieben. Die Kundschaft soll nicht mehr daran gehindert werden, außerhalb der eigenen Plattform mit den gewünschten dritten Unternehmen in Verbindung zu treten. Auf diese Weise lässt sich auch außerhalb des Konzerns eine Geschäftsbeziehung aufbauen, die auch bestehen bleibt, wenn die Partnerschaft mit dem Gatekeeper aus irgendeinem Grund enden sollte.

Die persönlichen Daten von unterschiedlichen Plattformen eines Gatekeepers dürfen nicht mehr ohne ausdrückliche Zustimmung zusammengeführt werden bzw. dürfen individuelle Plattformen eines Gatekeepers keine Daten mehr untereinander austauschen, um ein ganzheitliches User-Profil zu erstellen. Auch mit dieser Maßnahme lassen sich unfaire Geschäftsvorteile für eine Gatekeeper verhindern.

Zuwiderhandlungen werden zunächst mit Geldbußen in der Höhe von 10 Prozent des Jahresumsatzes geahndet. Bei wiederholten Verstößen kommen Zwangsgelder in Höhe von 20 Prozent auf die jeweiligen Konzerne zu. Lassen sich systematische Verstöße feststellen, können darüber hinaus weitere Abhilfemaßnahmen auferlegt werden. Als eines der letzten Mittel kommen sogar Veräußerungen von Teilen des Unternehmens in Frage.

Mögliche Chancen und Konsequenzen des Digital Markets Act

Positiv zu vermerken ist, dass Konzernen, die große Marktsegmente beherrschen, signifikante Grenzen gesetzt werden, was wiederum zu einem gesünderen und fairen Wettbewerb führt. Vermarkter:innen von Apps, Produkten und Dienstleistungen, die durch geschlossene Ökosysteme von Gatekeepern beschränkt werden, können künftig besser mit den großen Konkurrenten mithalten, indem sie kleine Werbeplattformen, eigene Apps oder Messenger-Dienste entwickeln. Auf diese Weise lassen sich neue und innovative Kommunikationswege für einen direkten Kundenkontakt und Möglichkeiten für das Sammeln von First-Party-Daten schaffen. 

Ein Nachteil könnte jedoch darin bestehen, dass mittelständischen und kleineren Unternehmen erst einmal weniger Daten zur Verfügung stehen bzw. diese bei User:innen noch einmal persönlich angefragt werden müssen. Datensilos können ebenfalls die Folge sein, wenn mehrere Marketingkanäle genutzt werden und Daten womöglich nicht zusammengeführt werden können. Handelt es sich um einen wichtigen Erfolgs- und Wachstumsmotor für aufstrebende Unternehmen, könnte der Digital Markets Act erst einmal genau das Gegenteil von seinem Ziel erreichen und deren Chancen drosseln. Größere und jetzt schon erfolgreiche Marken können dagegen mehr Geld für spezialisierte Datenschutzbeauftragte, Anwälte und neue Werbemaßnahmen sowie die Entwicklung von neuen digitalen Serviceleistungen investieren. Die Erhöhung der Ausgaben kann gerade für kleine Firmen eine unüberwindliche Hürde darstellen – umso wichtiger wird künftig der effiziente Einsatz von Werbemaßnahmen sein.

Fazit

Die tatsächlichen Auswirkungen des Digital Market Acts werden sehr wahrscheinlich noch komplexere Züge annehmen. Die Konsequenzen hängen von Details ab, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig ausgelotet sind. Vermarkter:innen müssen sich nach dem Inkrafttreten der Verordnung jedoch auf tiefgreifende Veränderungen einstellen. Ein möglichst diversifizierter Medienmix – beispielsweise als Teil einer Omnichannel-Strategie – der von den großen Plattformen unabhängiger macht, kann mit einer breitgefächerten Kundenkommunikation bei der schrittweisen Entkoppelung von großen Gatekeepern helfen.   

Den Schutz von persönlichen Daten sollten Marken dabei stets im Blick haben, schließlich müssen sich Unternehmen künftig noch stärker darauf verlassen. Hierbei kommen die Kundendaten zur Geltung, die selbstständig mithilfe eigener Software, Serviceleistungen, digitalen Interaktionen und Nachverfolgung des Kaufverhaltens ermittelt werden, um sie später z.B. für spezifisch zugeschnittenen Werbeanzeigen verwenden zu können. Wer entsprechende Methoden für das Sammeln, Aufbereiten und Zusammenführen vorbereitet, ist bereits gut für die Folgen der neuen Gesetzgebung vorbereitet.

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Hier schreibt die Redaktion des Restless CMO. Wir sind ein Team aus leidenschaftlichen Medien-Expert:innen und haben uns zur Aufgabe gemacht, Marketingentscheider:innen, CMOs, Founder:innen und alle Marketing-Macher bestmöglich über die neuesten Entwicklungen, Trends, Storys aus der Marketing-Branche zu informieren. Dabei ist es uns sehr wichtig einen …

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