Der Boutique-Boom

Vor nicht allzu langer Zeit bedeutete Fitness für viele von uns noch, sich für zwölf Monate vertraglich an eine der großen Fitnessstudio-Ketten zu binden. Mittlerweile ist es aber viel mehr: nämlich ein personalisiertes, gemeinschaftliches Erlebnis, das unserem rastlosen Lebensstil gerecht wird und uns hilft, unsere individuellen Fitnessziele zu erreichen. Gemeint ist der Boutique-Fitnesstrend, also kleine Fitnessstudios, die sich auf ein oder zwei Fitnessbereiche spezialisiert haben. Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass Deutschland nach den USA der nächste Top-Markt sein könnte.

Zwischen 2012 und 2015 wuchsen die Mitgliedschaften in sogenannten US-Boutiquen um satte 70%, während die traditionellen Mitgliedschaften im Fitnessstudio nur um 5% stiegen. Gleichzeitig machen die High-End-Boutique-Studios mittlerweile 35% der 26 Milliarden Dollar schweren Health-Club-Industrie in den USA aus. Und alles deutet momentan darauf hin, dass die Boutique-Welle als nächstes Deutschland erfassen wird. So zeigt der European Health & Fitness Market Report 2019 von Deloitte, dass Deutschland der stärkste Fitnessmarkt Europas ist und 13,4 % der Deutschen in einem der 9.343 privaten Fitnessclubs Mitglied sind (dazu zählen keine Personen, die Mitglied in gemeinnützigen Sportvereinen sind, die neben den kommerziellen Fitness- und Sportanbietern ebenso ein breites Sportangebot anbieten). Der leichte Anstieg an Fitnessclubs (+3,9%) ist im Wesentlichen auf Eröffnungen im Segment der Mikroclubs zurückzuführen. Bodystreet zum Beispiel, eine Fitness-Kette, die kurze Trainingseinheiten mit der EMS-Technologie (ElectroMuscle-Stimulation) anbietet, ist in weniger als einem Jahrzehnt stark gewachsen – gestartet mit einem Studio in München, sind es heute 240 Standorte in ganz Europa.

Wie ist dieses Wachstum der Boutique-Fitness zu erklären? Das Bedürfnis vieler Menschen nach einer Fitness-Community spielt eine entscheidende Rolle. Junge Verbraucher sehen Gesundheit und Fitness als einen wichtigen Teil ihres Lebens – und sind bereit dafür zu zahlen. Dabei greifen sie nicht nur für ein umfangreiches Training tiefer in die Tasche, sondern bekommen in Boutique-Fitnessstudios auch eine Gemeinschaft, ein Zusammengehörigkeitsgefühl geboten – die Communities verstehen sich häufig als „Tribes“. Eine Umfrage von Nielsen und Les Milszu zu globalen Fitnesstrends im Jahr 2014 ergab, dass 63% der Befragten, Boutique-Studios aufgrund des Community-Gefühls besuchten, für 47% war die Atmosphäre besonders wichtig. Dabei sind Vertrautheit und Zugehörigkeit Teil des Boutique-Konzepts. In einer Studie unter dem Titel „HowWeGather“ gingen zwei Wissenschaftler der Harvard Divinity School sogar noch einen Schritt weiter. Ihre These: Gerade die in der überwiegenden Zahl nicht-religiös lebende Millennial-Generation suche in den neuen Fitnessangeboten eine Art Ersatz-Religion.

Dabei ist die schiere physische Präsenz in Zeiten technologischen Fortschritts nicht einmal entscheidend, wenn es darum geht, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Der Einsatz von Technologie zahlt auf das Credo „gemeinsam, aber allein trainieren“ ein. In der Praxis bietet der Heimtrainer von Peloton seinen Nutzern zum Beispiel die Möglichkeit, bequem von zuhause an digitalen Fitness-Kursen teilzunehmen. Zusätzlich schafft das Unternehmen Facebook-Gruppen, in denen User ihre Leistungen diskutieren und Menschen mit ähnlichen Zielen oder Statistiken finden können. Sogenannte Live-Ranglisten für Benutzer, die das gleiche Training absolviert haben, können so einen Vergleich zu anderen Personen ziehen. Ziel ist es, die Menschen zu motivieren, weiter an sich zu arbeiten. Das Prinzip ähnelt aktuellen Apps für Fitness-Trainings, wie z. B. des Anbieters Aaptiv, der Nutzern ebenfalls Zugriff auf eine Online-Community verspricht. Viele Anbieter von Boutique-Studios erkennen, dass Home-Fitness-Geräte und -Apps eine sinnvolle Erweiterung ihres Angebots darstellen und ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Kurse einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Gleichzeitig scheinen Millennials immer weniger mit sogenannten One-size-fits-all-Trainingsprogrammen zufrieden zu sein. Auch hier setzt das Boutique-Modell an und lockt mit individuelleren Angeboten. Immer mehr Studios setzen beispielsweise auf maßgeschneiderte Trainingskonzepte auf Basis von physiologischen Werten, die zuvor mit entsprechenden Hightech-Geräten ermittelt wurden. Ein Beispiel ist Equinox, ein High-Tech-Fitnesscenter, das mit Tier X eines der individuellsten Trainingsprogramme in den USA anbietet. Equinox nutzt verschiedene Technologien, um den Zustand und das körperliche Potenzial eines Nutzers zu erfassen. Das Tool leitet diese Daten an eine Gruppe hochqualifizierter Personaltrainer weiter, die daraus wiederum ein auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittenes Trainingsprogramm entwickeln. 

Mit dem Zugang zu 45 Millionen deutschen Haushalten kann SevenVentures international agierende Unternehmen besonders gut dabei unterstützen, hierzulande Fuß zu fassen. Als Investment-Arm von ProSiebenSat.1 haben wir die Innovationen im Ausland immer im Blick und greifen internationale Unternehmen mit ihrem Launch in Deutschland unter die Arme, wie zum Beispiel den amerikanischen Online-Matratzenhändler Casper. Wir haben ein Auge auf neue Trends, die sich im Ausland entwickeln. Wir sind uns sicher: Boutique-Fitness ist einer der größten Gesundheits- und Lifestyle-Trends in Deutschland 2019.

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Michael gestaltete bis 2020 die US-Investitionen von SevenVentures mit. Er konzentriert sich auf Unternehmen, die ihr Wachstum in Europa beschleunigen wollen. Zuvor arbeitete er bei verschiedenen venture-finanzierten Unternehmen im Konsum- und Medienbereich. Michael begann seine Karriere im Finanzbereich als Analyst bei Goldman Sachs und Soros …

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