Crowdfunding: Wenn die Crowd wichtiger ist als das Funding

Crowdfunding ist mittlerweile auch hierzulande im Mainstream angekommen. In den USA gibt es schon seit Längerem keine Zweifel mehr an den Ergebnissen, die hierüber erzielt werden können. Allein auf Kickstarter, der führenden Crowdfunding-Plattform, wurden nach eigenen Angaben seit Start über 2,8 Milliarden US-Dollar in Kampagnen investiert. Dabei wird das Potential der Schwarmfinanzierung in Bezug auf ihre Marketingmacht noch weitestgehend unterschätzt bzw. von vielen Unternehmen noch gar nicht genutzt. Dieser Artikel zeigt, warum die Crowd oft wichtiger als das Funding an sich ist und wieso die Schwarmfinanzierung fester Bestandteil jeder guten Launch-Strategie sein sollte.

Crowdfunding-Kampagnen als Call-to-Action für die bestehenden Anhänger

Bestehende Kontakte und bekannte Anhänger des Produktes gehören zu den größten Mitstreitern während einer Kampagne. Aber anstatt diese Unterstützer der ersten Stunde für sich aktiv einzusetzen, versauern sie bei den meisten Unternehmen in irgendwelchen Datenbanken und werden höchstens passiv mit Informationen versorgt. Dabei stellt eine Crowdfunding-Kampagne doch einen positiven Aufruf innerhalb dieses Netzwerks dar. Der 1. FC Nürnberg sorgte z.B. erst vor kurzem für Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass der Verein über eine Crowdfunding-Kampagne 800.000€ zur Umbenennung seines Stadions einsammeln will. Anstatt auf den einfachen Weg zu setzen und die benötigte Summe durch Bankkredite einzutreiben, entschied sich der Verein bewusst dazu, mit Crowdfunding auf das Engagement und die Unterstützung der Fans zu setzen. Der Clou dabei: Die Fans schätzen es, um Hilfe gebeten zu werden und Anliegen, die ihnen am Herzen liegen, unterstützen zu können – Crowdfunding bietet dabei das passende Engagement-Tool! 

Crowdfunding-Kampagnen bedienen ein weite(re)s Publikum

Mit jeder Kampagne, die auf einer externen Crowdfunding-Webseite startet, wird die Marke einem komplett neuen Publikum präsentiert.           

Die Verantwortlichen der Münchner Brauerei Giesingerbräu nutzten dies aus, indem sie einfach zwei Crowdfunding-Kampagnen über zwei verschiedene Plattformen launchten. Sie erkannten früh, dass die Schwarmfinanzierung ein breites Publikum vom Hobby-Investor bis hin zum professionellen Geldgeber anspricht und wollten damit eine größtmögliche Gruppe erreichen. Ihre erste Kampagne auf der deutschen Plattform Startnext zielte darauf ab, Kapital für eine Mikrobrauerei zu sammeln und fand bei 500 Hobby-Investoren Gehör. Eine zweite Kampagne richtete sich auf der Webseite conda.eu an professionelle Geldgeber. Giesingerbräu bot beträchtliche Rendite und konnte damit über 1.000 Investoren von sich überzeugen. Ihre Suche nach einer breiten Öffentlichkeit war sogar so erfolgreich, dass sie mittlerweile eine eigene Crowdfunding-Seite auf ihrer Webseite integriert haben. Der Gedanke dabei ist, so erklärt es CEO Steffen Marx, „die Kunden, die auf der Suche nach der Crowdfunding-Kampagne auf der Webseite landen, nicht direkt wieder auf eine fremde Seite zu leiten.“  

Crowdfunding-Kampagnen werden selbst zur Story

Einige Fälle von Schwarmfinanzierung werden darüberhinaus selbst zur berichtenswerten Geschichte. Ein Beispiel der extremeren Art ist die Kampagne des Münchner Kabarettisten Roland Hefter: Er startete eine Crowdfunding-Aktion mit dem Ziel von 1,5 Millionen US-Dollar, die er Donald Trump im Gegenzug für seinen Rücktritt anbieten will. Nun ist es zwar recht zweifelhaft, dass einer der reichsten und nun in der Tat auch mächtigsten Männer in den USA dieses Angebot tatsächlich annimmt, aber die Kampagne wurde nichtsdestotrotz von der Presse aufgenommen. Trotz der zweifellos idealistischen Absichten Hefters, wird er die Extraportion Bekanntheit sicher gerne mitnehmen. 

Der Unterstützerkreis ist besonders interessiert darin, dass das Produkt gut läuft

Bei Crowdfunding-Kampagnen sorgen die Unterstützer durch das Aktivieren ihrer eigenen Netzwerke oft selbst mit dafür, dass das Kampagnenziel auch tatsächlich im anvisierten Zeitrahmen erreicht wird. Dabei verbreitet sich die Information wie Mund-zu-Mund-Propaganda durch die sozialen Netzwerke: Tweets werden geretweeted, Facebook-Posts finden sich in einer Vielzahl von News Feeds wieder. Giesingerbräu nutzte dies geschickt aus und verwendete zum Beispiel in allen Kampagnen sowie allen eigenen Social-Media-Aktivitäten den einheitlichen Hashtag #teamgiesing.  

Crowdfunding als Konzept-Check

Das Feedback des Schwarms bildet oft einen guten ersten Realitäts-Check und gibt Unternehmern die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell und ihr Angebot an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Startnext-Kampagne des Sneaker-Designers Karma Classics. Durch das Feedback, das sie während einer Crowdfunding-Kampagne erhielten, stellte sich heraus, dass es besser wäre, den Namen der Sneaker von Karma Chakhs zu Karma Classics zu ändern. In der aktuellen Kampagne sind die Unterstützer in der Lage, die Farbe der Sneaker mitzubestimmen. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Die Fans bekommen die Sneaker, die sie wollen und das Unternehmen erhält wertvolle Markteinblicke. 

Diese Art des Konzept-Testens kann auch schon vor dem Crowdfunding beginnen. Die amerikanische Designer-Marke Bonobos zeigt, wie es richtig geht: Beim Super Bowl-Auftritt von Katy Perry fiel ihnen ein lustiges Hai-Kostüm auf. Sie posteten ein Bild des Anzugs auf Twitter und animierten ihre Follower dazu, den Post zu retweeten, falls diese an einer Crowdfunding-Kampagne für dieses Kostüm interessiert sind. Mehr als 3.700 Retweets später, startete Bonobos die Kampagne auf Kickstarter.

Belohnung als Marketing-Instrument

Viele Crowdfunding-Kampagnen geben kleine Dankesgeschenke an ihre Unterstützer – auch das ist Marketing. Giesingerbräu bot seinen Anhängern beispielsweise Bierkostproben und gebrandete T-Shirts im Gegenzug für geringe Kampagnen-Beiträge. Bei größeren Beträgen wurden 8 Prozent Rendite auf die Investitionssumme versprochen, die allerdings nicht in Geld sondern in Form von eigenen Bier-Vouchern zurückgegeben wurden. Die Gutscheine konnten bei teilnehmenden Pubs und öffentlichen Festen gegen Bier eingetauscht werden. Damit waren  die Voucher nicht nur ansprechend für die Unterstützer, sondern trugen zur weiteren Bekanntheit der Marke bei.

Ein weiteres Beispiel: Der amerikanische Uhrenhersteller NFNT startete ein Kickstarter-Projekt um Geld für Bambus-Uhren zu sammeln. Für jede Spende über 55 US-Dollar boten die Initiatoren eine Bambus-Uhr im Gegenzug. Am Ende der Kampagne hatten sie 101.607 US-Dollar eingesammelt und mehr als 1130 Einheiten ihres Produkts „verkauft“.

Crowdfunding als Marketingkonzept in Deutschland

Crowdfunding ist in Deutschland sicher noch nicht so stark etabliert, wie es in den USA der Fall ist. In Übersee ist es einfach noch üblicher, dass Privatpersonen in neue Ideen und Konzepte investieren.  Laut Startnext ist dies auch auf einen „anderen kulturellen und sozialen Background“ in Deutschland zurückzuführen. Demnach gibt es hierzulande wesentlich mehr Möglichkeiten, neue Ideen durch öffentliche Fördermittel zu finanzieren, als in den USA. Aber auch wenn Crowdfunding – und vor allem Crowdfunding als Marketing-Technik – noch ein relativ neues Konzept in Deutschland darstellt, hoffe ich doch, durch meine Beispiele Denkanstöße in diese Richtung gegeben zu haben.   

Was CMOs sich merken sollten

Crowdfunding bietet klare Chancen fürs Marketing, sodass bereits die Crowdfunding-Kampagne Teil einer jeden Launch-Strategie sein sollte. Ein Überblick:

Crowdfunding-Kampagnen sind ein Call-to-Action für bestehende Anhänger. Diese schätzen es, um Hilfe gefragt zu werden. Crowdfunding bietet ihnen Teilhabe am Projekt.

Crowdfunding sorgt dafür, dass ein Projekt einem breiten Publikum bekannt wird. Über externe Crowdfunding-Plattformen werden neue Zielgruppen aktiviert, die sonst nicht auf das Projekt aufmerksam geworden wären. 

Crowdfunding-Kampagnen bieten oft tolle Storys. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass diese von den Medien aufgenommen werden. 

Die Unterstützer sind besonders daran interessiert, dass das Finanzierungsziel erreicht wird. Um das zu erreichen, geben sie die Informationen durch Mundpropaganda in ihren eigenen Netzwerken weiter.

Crowdfunding bietet eine gute Möglichkeit, um das eigene Konzept zu testen und Feedback einzusammeln. Crowdfunding macht eigentlich nichts anderes, als die Leute zu fragen, was sie über das Produkt denken. Erreicht eine Kampagne ihr Funding-Ziel nicht, ist das eben auch eine Aussage.

Belohnungen beim Crowdfunding sind auch Marketing. Dies kann entweder schlicht und einfach das Verteilen des Produktes selbst sein oder nette Marketing-Materialien involvieren, die der Marke ebenfalls zu größerer Bekanntheit verhelfen. 

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Hier schreibt die Redaktion des Restless CMO. Wir sind ein Team aus leidenschaftlichen Medien-Expert:innen und haben uns zur Aufgabe gemacht, Marketingentscheider:innen, CMOs, Founder:innen und alle Marketing-Macher bestmöglich über die neuesten Entwicklungen, Trends, Storys aus der Marketing-Branche zu informieren. Dabei ist es uns sehr wichtig einen …

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