Clubhouse: Was wir aus dem ersten Monat lernen können

Clubhouse ist seit kurzem der neue Megatrend in der Social-Media-Welt. Gegründet im März 2020 im Silicon Valley und mit einem Deutschland-Launch im Januar 2021, wurde der Aufstieg der Audio-App zu Anfang des neuen Jahres durch einen kollektiven Ansturm der Medien-, Investoren- und Politiker-Szene sowie unerwartete Auftritte von Elon Musk und Mark Zuckerberg weiter befeuert. Werbetreibende fragen sich nun, welche Marketing-Möglichkeiten das neue Audio-Format bietet und – wie bei jedem Hype – ob Clubhouse nur ein Kurzzeit-Phänomen ist oder auch auf lange Sicht – und vor allem nach dem Lockdown – seine Relevanz aufrechterhalten kann. Wir schauen uns den Social-Audio-Trend genauer an. 

Was ist Clubhouse?  

Clubhouse ist eine Social-Networking-App, die ausschließlich auf Audio-Chat basiert. In der App können Nutzer:innen „Rooms“ erstellen – oder beitreten – und dort Interviews und Diskussionen zu verschiedenen Themen lauschen. Jede:r Teilnehmer:in des Raums kann sich zudem selber zu Wort melden und an der Diskussion beteiligen. Der flüchtige Live-Charakter der Gespräche, die nicht von der App aufgezeichnet werden, sowie der Invite-Only-Zugang zum Netzwerk verleihen Clubhouse bewusst einen exklusiven Charakter, der unter anderem dank des „fear of missing out“-Effekts zum exponentiellen Anstieg der Nutzerzahlen geführt hat. 

Bei all dem Hype wird Clubhouse gleichzeitig auch stark wegen seines mangelnden Datenschutzes kritisiert – und das größtenteils zurecht, wie auch Lucas Florian, Director der Digital Unit bei der PR-Agentur PIABO, bestätigt: “Die App greift ziemlich offensiv auf das Adressbuch der Nutzer zu. Gleichzeitig haben sich aber auch Dienste wie LinkedIn fest auf dem deutschen Markt etabliert – und wer erinnert sich nicht an den fast-automatischen Versand von 300 ‘Möchtest Du Teil meines LinkedIn-Netzwerkes sein?’-Einladungen an all seine Kontakte? Man kann den Dienst also nutzen, sollte sich aber der Thematik bewusst sein.”  

1 Monat Clubhouse – Was haben wir gelernt? 

In den letzten Wochen wurde nicht nur viel auf, sondern ebenso viel über Clubhouse gesprochen. Nachdem zunehmend auch Influencer:innen und Stars wie Joko Winterscheidt, Caroline Daur und Mario Götze die Plattform nutzen, ist das allseitige Interesse enorm gestiegen. Der positive Trend bleibt bis jetzt bestehen, wobei wir uns immer noch in der Anfangsphase befinden, in der sowohl öffentliche Persönlichkeiten als auch Medien und Unternehmen die Vor- und Nachteile verschiedener Ideen und Formate auf Clubhouse austesten. 

Dennoch gibt es bereits erste Learnings – vor allem in Bezug auf die “Öffentlichkeit” der Räume, wie das prominente Beispiel Bodo Ramelows besonders eindrücklich gezeigt hat. In einem Raum mit mehr als 1000 Leuten fühlte sich der Ministerpräsident Thüringens anscheinend in so exklusiver und geschützter Runde, dass er nicht nur die Kanzlerin als “Merkelchen” bezeichnete, sondern auch unbedacht gestand, dass er während der Corona-Konferenzen gerne mal Candy Crush spielt. Was Marketer und Unternehmen daraus lernen sollten: Trotz des exklusiven Images sind Clubhouse-Gespräche letztlich öffentliche Gesprächsräume, in denen auch teilnehmende Journalisten im Zweifelsfall jedes einzelne Wort zitieren können.  

Gleichzeitig gibt es aber auch schon zahlreiche positive Beispiele, wie Unternehmen von den neuen Möglichkeiten der App – teilweise ungeplant – profitieren konnten. So stellte sich zum Beispiel eine Unternehmerin, die Naturkosmetik vertreibt, in dem regelmäßigen Talk von PIABO-Gründer Tilo Bonow mit dem Titel „Was machst du? Wer bist du?“ vor und bekam direkt ein paar Wortmeldungen von Interessenten, die ihre Produkte spannend fanden. Spontan ging sie daraufhin auf ihre Website und erstellte einen Gutscheincode „CLUBHOUSE20“ für 20 Prozent Rabatt, den sie dem Clubhouse-Raum zur Verfügung stellte. Das Ergebnis: Am nächsten Tag hatte sie eine stattliche Summe Umsatz gemacht. 

Wer nutzt Clubhouse? 

Obwohl Clubhouse erst seit kurzem in Deutschland erfolgreich ist, hat die Mediaagentur OMD bereits im Januar 2021 eine Online-Umfrage durchgeführt, um dem Hype auf den Grund zu gehen. Demnach gaben rund ein Drittel der Deutschen im Alter von 18 bis 29 Jahren an, bereits von der App gehört zu haben. Mit steigendem Alter nimmt der Bekanntheitsgrad ab, sodass in der Gruppe der 50 bis 59-Jährigen nur noch rund 16 Prozent Clubhouse zum Zeitpunkt der Befragung bereits auf dem Schirm hatten. Der Fokus auf die Altersgruppe zwischen 18 bis 29 Jahren bedeutet jedoch auch, dass die App im Vergleich zu anderen Social-Media-Plattformen wie Instagram oder TikTok keineswegs die ganz junge Zielgruppe der unter 18-Jährigen anvisiert. Aus Marketing-Sicht kann diese höhere Altersstruktur daher zunächst interessant für Marken sein, die sich an eine professionelle und unternehmerische Audience richten.  

Auch das Marktforschungs-Start-up Civey hat bereits eine Studie zu Clubhouse veröffentlicht. Clubhouse-Experte Lucas Florian hebt hierbei vor allem die Ergebnisse der Interessengruppen hervor: „Innovation liegt auf Platz 4 der Themen, für die sich Clubhouse-Nutzer interessieren und damit sogar noch vor Entertainment & Sport – die auf anderen sozialen Netzwerken meist weit vorne liegen. Clubhouse sticht also zurzeit vor allem als Inkubator für Innovationsthemen hervor.“ 

Welche Marketing-Möglichkeiten bietet Clubhouse? 

Derzeit bietet Clubhouse keine In-App-Werbefunktionen, da es auf das Wachstum und die Benutzerfreundlichkeit der Plattform setzt. Dieser Fokus wird sich jedoch in naher Zukunft ändern, denn aktuell ist bereits ein “Creator Grant Program” in der Entwicklung, das neue Features testet, mit denen sich Kreative ähnlich wie auf TikTok oder YouTube einen Namen machen und Mehrwert generieren können. Dennoch gibt auch jetzt schon viele Möglichkeiten, wie Unternehmen erste Marketing-Maßnahmen auf Clubhouse starten können. Weil die App rein auf Audio setzt, lohnt sich hier der Vergleich mit den bereits länger etablierten und ebenfalls rein audiobasierten Podcasts.  

Sponsoring 

Ähnlich wie beim Podcasting, können einzelne Räume von Unternehmen gesponsert werden, sodass zum Beispiel im Titel zu lesen ist „Präsentiert von Unternehmen X“ oder der Moderator als Midroll-Anzeige etwa alle 30 Minuten eine kurze Sponsoren-Ankündigung oder einen Shout-Out vorliest. Letzteres ergibt bei Clubhouse mehr Sinn als eine Ankündigung ganz am Anfang des Gesprächs, da aufgrund des Drop-in-Charakters der Räume selten alle Teilnehmer:innen gleich zu Beginn dabei sind. Wichtig dabei ist natürlich ebenso der passende thematische Bezug – so könnte zum Beispiel Lufthansa oder die Hotelgruppe Hilton eine Diskussion über Tourismus sponsern, die sich an Premium-Reisende richtet. 

Thought Leadership 

Darüber hinaus können Unternehmen auch selber auf Clubhouse aktiv werden und ihre eigenen Räume organisieren. Genauso wie beim Aufbau eines eigenen Podcasts muss sich das Unternehmen hierbei zuvor genau klar machen, mit welchen eloquenten Experten es in Erscheinung treten kann, welchen inhaltlichen Mehrwert es für seine Zielgruppe kreieren kann und mit was für einer Strategie es den regelmäßigen Kontakt zur Zuhörerschaft aufbauen will. Da die Plattform vollständig auf den Austausch von Gedanken, Ideen und Meinungen setzt, bilden sich hier hervorragende Möglichkeiten, um als Personal Brand oder Unternehmen Thought Leadership aufzubauen und sich so vor allem im B2B-Bereich und Recruiting in eine vorteilhafte Position zu bringen. Laut Lucas Florian müssen dafür zunächst noch nicht einmal eigene Räume oder Formate aufgebaut werden: “Zum Beispiel könnte ein IT-Unternehmen einfach seine hauseigenen Experten für bestimmte Fachthemen in einen Raum schicken, in denen die entsprechenden Spezialthemen diskutiert werden. Dort melden diese sich dann zu Wort, leisten einen hilfreichen Beitrag zur Diskussion und stellen sich und ihr Unternehmen danach in kurzen Worten vor. Die zielgenaue Audience hat dann nicht nur den Namen des Unternehmen gehört, sondern verbindet diesen sogleich mit der Expertise des Sprechers.” 

Produktplatzierung

Auch wenn Clubhouse momentan noch wie LinkedIn hauptsächlich als professionelles Soziales Netzwerk mit einem Schwerpunkt auf digitale, politische und Business-Themen genutzt wird, bieten sich auch hier bereits B2C-Werbemöglichkeiten, die in Zukunft wohl noch deutlich ausgebaut werden. Denn die Bandbreite an Themen, die in den Räumen besprochen werden, ist letztlich unbegrenzt und reicht schon jetzt von Kunst & Literatur über Sport bis zu Beauty und Fashion. Dementsprechend lassen sich diverse kreative Ideen finden, um Produkte in den Räumen und Gesprächen zu platzieren. Wichtig ist hier wiederum der Mehrwert, der sich in diesem Rahmen für die Zuhörer:innen ergeben soll. So könnten zum Beispiel Beauty-Influencer:innen neue Mode-Trends besprechen oder die Inspiration hinter einer Kollektion diskutieren und dabei gleichzeitig auf das direkte Feedback der Fans eingehen.  

Hot or Not? 

Bei all dem Hype bleibt zum Schluss natürlich die Frage, wie sich Clubhouse in den nächsten Monaten und Jahren weiterentwickeln wird und ob die aktuelle Begeisterung auf lange Sicht bestehen bleibt. Zumal wenn man bedenkt, dass der Lockdown und das Bedürfnis nach einer neuen Beschäftigung und direkten Interaktion von zuhause aus eine nicht zu unterschätzende Rolle beim Erfolg der Social-Audio-App gespielt haben dürfte. Was passiert also, wenn Menschen wieder vor ihre Haustür treten und sich statt über ein App wieder gegenseitig hautnah begegnen können? 

Dass Clubhouse auch nach dem Ende des Lockdowns erfolgreich sein kann, zeigt nicht nur die kürzliche Series-B-Finanzierungsrunde, geführt von der einflussreichen Wagniskapitalfirma Andreessen Horowitz, welche das Unternehmen auf eine Bewertung von einer Milliarde Dollar gestuft hat. Auch der allgemeine Trend zur unmittelbaren Live-Kommunikation über soziale Plattformen, der schon seit einigen Jahren unter anderem von Twitch vorangetrieben wird, deutet auf eine vielversprechende Zukunft hin. Mittlerweile hat das auch die Konkurrenz erkannt und versucht bereits Clubhouse zu kopieren. So testet Twitter zurzeit ein Produkt namens Spaces, das eine ähnliche Audio-Chat-Funktion bietet, und auch Facebook soll seine Mitarbeiter bereits angewiesen haben ein entsprechendes Feature zu entwickeln. “Twitter hat sehr schnell auf den neuen Trend reagiert, während Facebook noch hinterherhinkt. Die Wichtigkeit, hier ein gutes Produkt hinzubekommen, ist also für Facebook nicht zu unterschätzen. Uns steht hier noch ein heißer Kampf bevor.”, so Lucas Florian. Marketer sollten so oder so die Social-Audio-App auf jeden Fall im Auge behalten und ermitteln, welche Marketingmaßnahmen für das eigene Unternehmen am besten passen und ausgetestet werden können.

Teilen

Avatar-Foto

Hier schreibt die Redaktion des Restless CMO. Wir sind ein Team aus leidenschaftlichen Medien-Expert:innen und haben uns zur Aufgabe gemacht, Marketingentscheider:innen, CMOs, Founder:innen und alle Marketing-Macher bestmöglich über die neuesten Entwicklungen, Trends, Storys aus der Marketing-Branche zu informieren. Dabei ist es uns sehr wichtig einen …

Das könnte dich auch interessieren