Brand Building „Produkte werden nicht mehr nur des Produkts wegen gekauft, sondern wegen des Gefühls, das die Marke vermittelt.“

Im Marketing ist es eine alte Weisheit: Ein mittelmäßiges Produkt mit tollem Marketing wird sich am Markt besser durchsetzen als ein tolles Produkt mit schlechtem Marketing.“ Warum das so ist, wie groß die Rolle des Brand Building tatsächlich ist und was es hierbei alles zu beachten gilt, haben wir uns von Gilg Frick, dem Gründer und Geschäftsführer von NPIRE erklären lassen. 

Was macht eine gute Marke aus?

Eine hohe Wiedererkennbarkeit und eine klare Haltung. Über das Design sollte sich die Marke abheben und möglichst gut in Erinnerung bleiben. Die Story sollte ein Gefühl davon transportieren, wofür das Unternehmen steht. Wenn diese beiden Punkte erfüllt sind, erinnert man sich im richtigen Moment an die Marke.

Was müssen Unternehmen beachten, die gerade erst am Anfang stehen und eine Marke aufbauen wollen?

Es ist wichtig zu verstehen: Markenaufbau ist eine langfristige Investition und somit teuer. Man ist trotzdem gut beraten, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen und das Geld zu investieren – es lohnt sich erfahrungsgemäß immer. Wir beobachten häufig, dass Unternehmen, die keinerlei Energie in den Markenaufbau stecken, relativ schnell ein Identitätsproblem bekommen. Das fehlende konzeptionelle Fundament zeigt sich hinterher an verschiedenen Stellen: Beispielsweise im Team, wo unterschiedliche Vorstellungen davon existieren, welche Ziele das Unternehmen überhaupt verfolgt oder wo der Fokus liegt. Auch eine erfolgreiche Kommunikation nach innen und außen ist umso schwieriger, je unklarer die Marke im Kern definiert ist.

Als Designer arbeitet man dann häufig nicht mehr daran, das jeweilige Medium optimal zu gestalten, sondern befindet sich plötzlich in einer Grundsatzdebatte darüber, was überhaupt erzählt werden soll. Im schlimmsten Fall passiert das immer und immer wieder – so lange, bis ein Markenkern und eine übergeordnete Kommunikationsstrategie eben einmal grundlegend ausgearbeitet sind.

Welche Instrumente sind wichtig beim Brand Building?

Brand Building ist wirklich keine Raketenwissenschaft. Bei der Entwicklung einer Marke geht es schlicht um das Schaffen einer eigenen Identität – und die kommt ja im Optimalfall direkt aus dem Unternehmen selbst, dem Team, dem Produkt. Man muss sich damit nur einfach mal befassen und sich dabei vor allem viele Fragen stellen (oder stellen lassen). Oftmals ist da ein initialer Workshop mit einem Partner wie uns hilfreich. Die eigentliche Arbeit liegt dabei immer bei den Teilnehmern selbst. Es geht darum, herauszufinden, wofür man steht, was man macht, wie man es macht und weswegen. Wenn die entsprechende konzeptionelle Vorarbeit geleistet ist, erarbeiten wir auf dieser Basis dann einen Look, eine Story und Sprache. Das kann mitunter ein recht langwieriger Prozess sein – aber je klarer das Fundament ist, umso unkomplizierter gestalten sich die weiteren Schritte.

Welche Stolpersteine gibt es?

Schwer zu sagen, da Unternehmen und Marken natürlich sehr individuell und teilweise auch hochkomplex sind. Ich denke, der häufigste Fehler ist es, dem Thema Marke nicht ausreichend Bedeutung und Priorität zuzumessen. Ich halte es für sehr wichtig, dass sich Unternehmen frühzeitig und regelmäßig mit ihrer eigenen Marke befassen – und zwar nicht nur im Kontext von Marketing und Design. Auch der Koch in einem Restaurant oder die Mitarbeiter der Buchhaltung tragen letzten Endes die Werte einer Marke mit.

Gibt es aus deiner Erfahrung Aspekte beim Brand Building, die immer wieder vernachlässigt werden?

Auch das ist natürlich sehr individuell. Ein Aspekt der sicher häufig vernachlässigt wird, ist die Frage nach dem „Warum“. Der Fokus liegt meist auf dem „Was“: Man spricht viel über tolle Produkte oder grandiose Features. Aber noch einmal ganz an den Anfang zu gehen und sich zu fragen: „Warum machen wir überhaupt, was wir machen?“ trägt oft maßgeblich dazu bei, die eigene Identität zu entwickeln. Auch unterschiedliche Sichtweisen sind an dieser Stelle spannend: Was denkt der Chef und was denken die Mitarbeiter? Wenn man hier aber nicht ehrlich mit sich selbst ist und versucht, etwas darzustellen, was man nicht ist, wird sich das über kurz oder lang immer bemerkbar machen und vom Konsumenten bestraft werden. Der Konsument von heute hat Zugriff auf alle möglichen Informationen und beschäftigt sich neben dem Produkt selbst mit zahlreichen anderen Faktoren.

Außerdem ist das „Warum“ entscheidend sowohl für das bestehende Team als auch für das Recruiting. Es gibt zahlreiche Statistiken dazu, dass Menschen, insbesondere die jüngeren Generationen, eher bereit sind, auf Lohn zu verzichten, als für ein Unternehmen zu arbeiten, dessen Zielsetzung sie nicht vertreten möchten.

Gibt es Unterschiede beim Brand Building einer B2C- und einer B2B-Marke?

Eine B2C-Marke richtet sich in der Regel natürlich an ein größeres Publikum und muss in der breiten Öffentlichkeit verstanden werden. Eine B2B-Marke richtet sich an irgendeine Art von Fachpublikum – entsprechend muss in der Regel weniger erklärt werden. Es gibt also sicher kleine Unterschiede aber das grundsätzlich Vorgehen ist aus meiner Sicht relativ identisch.

Man hört immer wieder von Marken, die zwischendurch auf ein Rebranding setzen. Wann macht so etwas Sinn? Welche Best Practice-Beispiele fallen dir ein?

Eine wirklich gute Frage. Aus meiner Sicht macht ein Rebranding tatsächlich in den seltensten Fällen Sinn. Ich habe oft das Gefühl, dass mit einem neuen Marketingchef oder anderen neuen Einflüssen im Unternehmen einfach irgendwas übers Knie gebrochen wird – aber selten bringt das wirklich große Verbesserungen. Eine Marke ist stärker, je konstanter sie besteht. Es gibt natürlich Optimierungsmöglichkeiten, um beispielsweise ein Logo besser an neue Medien anzupassen und es klarer zu machen. In der Regel geht es dabei um Reduktion. Das macht immer dann Sinn, wenn man wie Starbucks bereits lange auf dem Markt etabliert ist und sich dann dazu entscheidet, das Logo noch weiter zu reduzieren. Oder wie Nike, die irgendwann den Schriftzug ganz weglassen.

Ständiges hin und her wie bei Pepsi hilft in der Regel nicht – Pepsi wird vermutlich die ewige Nummer Zwei bleiben. Die Nummer 1 Coca Cola hingegen ist ein Paradebeispiel für eine Marke, die über die Jahre sehr konstant geblieben ist. Man muss natürlich auch nochmal unterschieden, was geändert wird: Schriftarten, Visuals usw. können und müssen sicher immer mal wieder dem Zeitgeist angepasst werden, aber Unternehmensfarben und Logo sollte man möglichst behutsam behandeln. Es sollte in jedem Fall immer konkrete Gründe geben, warum man irgendwas anfasst. Und generell gilt wie beim Zahnarzt: Lieber versuchen die bestehenden Zähne zu retten, als alles neu zu machen. Softe Optimierungen Stück für Stück sind okay.

Was ist wichtiger: Ein gutes Produkt oder eine gute Marke?

Letztlich natürlich immer beides. In jedem Fall darf die Qualität eines Produkts ein gewisses Level nicht unterschreiten. Leider stellen wir immer häufiger fest, dass ein gutes Produkt alleine nicht ausreicht, um gute Verkäufe zu erzielen. Besonders für Start-ups und junge Marken ist das aber schwierig. In einer so globalisierten Welt, in der so viele Marken um Aufmerksamkeit konkurrieren, geht es unentwegt darum, sein Produkt so zu platzieren, dass es sichtbar ist und entdeckt werden kann. Dabei ist immer wieder Kreativität gefragt. Letztlich ist es eine Mischung aus Marke und Maßnahme. Sicher ist aber, dass sich ein mittelmäßiges Produkt mit tollem Marketing am Markt besser durchsetzt als ein tolles Produkt mit schlechtem Marketing.

Ist die Bedeutung einer guten Marke in den zurückliegenden Jahren eher gestiegen oder gesunken? Wie sieht die Entwicklung in den kommenden Jahren aus?

Auf jeden Fall gestiegen, und sie wird auch noch weiter steigen. Besonders deutlich wird das im Supermarkt: Produkte konkurrieren immer globaler und in vielen Bereichen ist in Sachen Qualität das Limit erreicht. Der einzige Weg, sich vom Wettbewerb abzusetzen, ist durch eine spannende Marke, eine interessante Story, ein ungewöhnliches Konzept. Produkte werden nicht mehr nur des Produkts wegen gekauft, sondern wegen des Gefühls, das die Marke vermittelt. Die Qualitätsunterschiede zwischen Markenwaschmitteln und No-Name-Produkten sind oft marginal – und trotzdem setzen sich teurere Produkte mit einer starken Brand häufig durch.

Besonders kleine Marken gehen dazu über, nicht nur noch ein gutes Produkt herzustellen, sondern vor allem eine Geschichte oder einen Zusatznutzen zu verkaufen, um konkurrenzfähig zu sein. Das geht so weit, dass das Produkt sogar zweitrangig wird und die Story im Vordergrund steht – beispielsweise bei Marken wie Lemonaid, Viva con Agua, Share oder anderen.

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Gilg Frick ist Gründer und Geschäftsführer der Hamburger Kreativagentur NPIRE (www.npire.de) und seit gut 15 Jahren in der Kreativbranche tätig. 2005 begann er sein Studium an der HfG Schwäbisch Gmünd im Bereich Kommunikationsdesign, noch im selben Jahr gründete er auch die Agentur NPIRE. Anfang 2017 …

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