Biohacking ist ein relativ neues Konzept, welches die Themen Gesundheit, Ernährung und generelles Wohlbefinden auf ein neues Level heben soll – nämlich zu einer Form der Selbstoptimierung. Biohacking wird häufig mit dem Versuch beschrieben, „die beste Version von sich selbst“ zu schaffen. Das wachsende Interesse an diesem Trend zeigt sich dabei mehr und mehr im Konsumentenverhalten. Daraus ergibt sich ein stetig und schnell wachsender Markt rund um das Thema Biohacking, in den auch in Deutschland immer mehr Start-ups drängen.
Was ist Biohacking?
Unternehmen, die im Bereich Biohacking aktiv sind, streben danach, die Performance des menschlichen Körpers zu optimieren und zu maximieren – sei es durch besseren Schlaf, mehr Energie, ein gesteigertes Wohlbefinden oder erhöhte Konzentrationsfähigkeit. Analog zu „traditionellen“ Hackern, die in Betriebssysteme eingreifen wollen, versuchen Biohacker Wege zu finden, in den menschlichen Organismus „einzugreifen“, indem sie seine Leistung positiv beeinflussen. Dazu versuchen sie zunächst zu verstehen, wie der menschliche Organismus funktioniert – um dann entsprechende Anknüpfungspunkte zu finden, seine Leistung zu verbessern. Spätestens seit der Twitter-CEO Jack Dorsey verkündete, intermittierend zu fasten, ist das Konzept Biohacking in aller Munde. Besonders hohe Wellen schlug dabei der Fall des ehemaligen NASA-Mitarbeiters Josiah Zayner, der sich selbst DNA injizierte. Auch wenn es sich dabei um ein extremes Beispiel handelt, zeigt es, welche Popularität das Thema in den USA bereits genießt. Das Produktportfolio im Bereich Biohacking ist dabei sehr divers – dazu gehören insbesondere Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel, Apps zur Steigerung des mentalen Wohlbefindens oder Hardware, die den Schlaf, sportliche Aktivitäten und andere relevante Faktoren erfasst.
Das Marktwachstum der vergangenen Jahre zeigt jedenfalls, dass das Interesse an diesen Produkten und damit entsprechend auch die Zahl an Anbietern rasant wächst – in den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Unternehmen im Bereich Biohacking um ungefähr 445 Prozent gestiegen – und allein in 2018 gab es einen rasanten Anstieg von 71 Prozent. Es wird geschätzt, dass der Biohacking-Markt auf dem amerikanischen Kontinent – einem im Vergleich zu Europa bereits stärker entwickelten Markt – bis 2023 eine Bewertung von 10,5 Milliarden Dollar erreichen könnte.
Welche Faktoren treiben die Nachfrage nach Biohacking?
Drei Gründe spielen für das Wachstum von Biohacking eine maßgebliche Rolle: das Bestreben, Krankheiten vorzubeugen, der Wunsch, sich insgesamt besser und wohler zu fühlen, und das Bemühen, unseren Körper und Geist zu Höchstleistungen zu bringen.
Vorbeugen statt heilen
Große Pharmaunternehmen konzentrieren sich in der Regel auf die Bekämpfung von Krankheiten – seltener aber auf die Prävention von Krankheiten, sodass es oftmals an Produkten mangelt, die gesunde Menschen „gesund hält“ und damit ihre Leistungsfähigkeit und ihr Wohlbefinden zu steigern. Hier kann die Biohacking-Branche ansetzen und es bieten sich Möglichkeiten für Unternehmer, diese vernachlässigte Nische zu bedienen.
Sich besser fühlen
Im Kern zielt Biohacking auf etwas ab, was wir wohl alle als erstrebenswert empfinden: sich einfach besser zu fühlen. Bereits vor einigen Jahren gab es einen starken Trend dahin, sich vegan zu ernährten oder den neuesten Fitness-Trends zu folgen.
In Fortsetzung dieses Trends gibt es jetzt zunehmend neue und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel, die weiter dazu beitragen sollen, unser allgemeines Wohlbefinden zu steigern, das Immunsystem zu stärken und den Menschen zu besserer Gesundheit zu verhelfen – und manche stellen sogar den Anspruch, uns zu einem längeren Leben zu verhelfen.
Mentale Höchstleistung
Obwohl immer mehr Menschen verstärkt auf gesunde Ernährung und ihren Körper insgesamt achten, ist das nur ein Teil der Gleichung. Da unsere Welt zunehmend von langen Arbeitszeiten und steigenden Erwartungen an unsere Leistungsfähigkeit geprägt ist, ist es ebenso wichtig, auch die mentale Gesundheit und Balance zu beachten. Es überrascht daher nicht, dass Biohacking zuerst im wettbewerbsintensiven Silicon Valley durch den Ingenieur Rob Rhinehart in den Vordergrund rückte. Rhinehart brachte damals den nährstoffreichen Nahrungsergänzungsdrink Soylent auf den Markt, der als „eine komplette Mahlzeit“ vermarktet wurde, die vielbeschäftigte Arbeitnehmer einfach an ihrem Schreibtisch zu sich nehmen können, ohne dafür eine Mittagspause einlegen zu müssen. Bereits 2013 startete eine Crowdfunding-Kampagne, welche binnen kurzer Zeit Vorbestellungen im Wert von 1,5 Millionen Dollar erreichte, und bis 2017 sammelte Soylent über 70 Millionen Dollar Funding ein. Inzwischen gibt es in diesem Bereich schon eine Vielzahl anderer Produkte, die geistige Spitzenleistungen fördern sollen, wie Meditations- und Schlaftracking-Apps, die gezielt die mentale Balance fördern und damit die Leistungsfähigkeit steigern sollen.
Was sind die großen Spieler im deutschen Biohacking-Sektor?
Die deutsche Biohacking-Szene ist im Vergleich zu ihrem US-amerikanischen Pendant noch verhältnismäßig klein. Aber es gibt durchaus starkes Momentum in dem Sektor, denn Biohacking findet in Deutschland immer mehr Anhänger. Im Jahr 2017 fand in Berlin zum ersten Mal das Flow Fest statt – Deutschlands erste Biohacking-Konferenz, auf der sich Fans des Trends zur Selbstoptimierung treffen und austauschen konnten. Die Veranstaltung wurde in den Jahren 2018 und 2019 wiederholt und das nächste Treffen soll 2021 in München stattfinden.
Im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel gibt es in Deutschland bereits eine Vielzahl an Start-ups, die zunehmend an Popularität gewinnen. Primal State, BrainEffect und Flow Grade vertreiben beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel, die versprechen, Energie, Balance, Fokus, Schlaf und körperliches Wohlbefinden zu fördern. Dieses Jahr verkündete Primal State, dass sie seit ihrer Gründung im Jahr 2014 einen Umsatz von über 8 Millionen Euro erzielt haben – und das mit einem Startkapital von gerade einmal 2.500 Euro und ohne die Unterstützung externer Investoren.
Aber nicht nur der Bereich der Nahrungsergänzungsmittel wächst stark. Die Meditations-App 7Mind zählt bereits 10 Millionen Nutzer und konnte bisher Investitionen in Höhe von 500.000 Euro einsammeln. Unternehmen, die Hardware- bzw. Software-Tracker für Schlaf, Bewegung und beispielsweise Blutdruck herstellen, stammen bisher hauptsächlich aus den USA, aber es ist durchaus möglich, dass demnächst auch deutsche Konkurrenten in diesem Bereich auftauchen werden.
Fazit
Biohacking ist in Deutschland nach wie vor eine Nische, aber das Interesse wächst rasant. Immer mehr Start-ups gehen mit interessanten Angeboten und spannenden Innovationen an den Start. Denn nicht nur im Silicon Valley, der berühmten Ideenschmiede in Kalifornien, suchen Menschen nach Wegen, das Beste aus sich herauszuholen, sondern auch in Deutschland – und Biohacking könnte die Lösung sein.