Wie schaut Deutschland fernsehen und wie nimmt die Zielgruppe Werbespots wahr? Die groß angelegte Studie “Mapping the Moods” geht der Videonutzung in Deutschland nach und untersucht, wie Werbung möglichst passgenau ausgespielt werden kann. Welche Erkenntnisse Werbetreibende aus der Studie mitnehmen können und welche Unterschiede es dabei zwischen klassischem TV und Streaming-Diensten gibt, erfährst du in diesem Artikel.
10 verschiedene Verhaltensmuster der Bewegtbild-Nutzung
Die von Screenforce beauftragte und vom Marktforschungsinstitut Eye Square durchgeführte Studie “Mapping the Moods” befasst sich mit der umfassenden Vermessung der Videolandschaft in Deutschland. Aufgebaut ist die Untersuchung in drei Module. Zu Beginn haben die Studien-Teilnehmer:innen eine Woche lang ihre detaillierte Nutzung von Bewegtbild in Tagebuchform notiert. Was wurde wann auf welchem Gerät in welcher Gesellschaft und in welcher Stimmung geschaut? Wurden nebenher Dinge erledigt oder gezielt lineares TV oder Streaming-Dienste konsumiert? Das Ergebnis brachte folgende 10 unterschiedliche Moods der Videonutzung hervor:
1. Genüsslich entspannen
Es sich vor dem Fernseher gemütlich machen.
2. Live Erlebnisse
Bei einer Live-Übertragung vor dem TV mitfiebern.
3. Informieren
Sich durch Bewegtbild auf den neusten Stand über bestimmte Themen bringen.
4. Begleitprogramm / Dinge erledigen
Hier dient das Fernsehen als Zeitüberbrückung bzw. dazu, eine Aufgabe / eine Nebentätigkeit angenehmer zu gestalten.
5. Vertrautes Ritual
Regelmäßig an wiederkehrenden Tagen oder Zeiten ähnliche Videoinhalte schauen.
6. Persönliches Interesse
Bewegtbild schauen, welches persönlich interessiert oder anspricht.
7. Sich berieseln lassen
Videoinhalte dienen hier dazu, abzuschalten, z.B. nach einem anstrengenden Tag.
8. Alltagssorgen herunterfahren
Ablenkung durch TV und den Alltag dadurch vergessen.
9. Entertainment / Unterhaltung
Bewegtbild wird hier zur Unterhaltung genutzt und sorgt für fröhliche Stimmung.
10. Zapping und Hängenbleiben
Videoinhalte durchzappen, bis man etwas gefunden hat, das gefällt.
Wie unsere Bildschirm-Verhaltensmuster zu deuten sind
Im nächsten Schritt wurden die identifizierten Muster bzw. Moods in einer repräsentativen Online-Erhebung quantifiziert. Zudem wurden die in Modul 1 identifizierten Muster für eine weitere psychologische Vertiefung in einem Werteraum positioniert, welcher für die Wirkung von Werbung entscheidend ist: Zum einen die Aufmerksamkeitsspanne (schaut die Zielgruppe konzentriert oder erledigt sie etwas nebenher) und zum anderen die Emotion, welche währenddessen empfunden wird (diese reicht von positiv bis neutral).
Noch tiefere Einblicke in die unterschiedlichen psychologischen Motive der Moods findest du in diesem Topbox-Artikel.
Anhand der Studie lässt sich erkennen, dass die Muster abhängig vom Tagesablauf in ein Stimmungs-Management eingebunden sind.
Mood-Management am Vorabend:
Hier stehen Begleitung, Untermalung und das Regenerieren im Vordergrund, sprich: “Begleitprogramm“, “Sich berieseln lassen” und “Genüsslich entspannen” (z.B. mit TV-Programmen wie “taff” oder “How I Met Your Mother”).
Mood-Management zur Primetime:
Zu dieser Zeit geht es darum, ein Event zu zelebrieren. Hier rücken die Moods “Live-Erlebnis”, “Genüsslich entspannen” und “Unterhaltung” in den Fokus. Zudem lassen sich Zuschauer:innen hier gerne emotional mitbewegen. An dieser Stelle ordnen sich die Muster “Genüsslich entspannen”, “Sich berieseln lassen” und “Unterhaltung” ein (z.B. mit Filmen wie “Indiana Jones” oder “Iron Man”).
Mood-Management zur Late-Night:
Hier wollen sich die Zielgruppen sachlich engagiert aufladen. Die Verhaltensmuster “Persönliches Interesse”, “Sich informieren” und “Entertainment” stehen dabei im Vordergrund (ein Beispiel wäre das “K1 Magazin”). Zum Tagesausklang sind darüber hinaus die Moods “Alltagssorgen herunterfahren”, “Genüsslich entspannen” und “Sich berieseln lassen” von Bedeutung (z.B. mit “CSI” oder “Club der guten Laune”).
Wie unterschiedlich wir je nach Stimmung Werbe-Spots wahrnehmen
Im dritten Modul der Studie wurde genau untersucht, wie aufgeschlossen Zuschauer:innen in bestimmten Stimmungslagen für Werbeinhalte sind. Wie aus dem Mood-Management hervorgeht, treten je nachdem, wann Videoinhalte geschaut werden, unterschiedliche Muster beim Publikum auf. Abhängig von der Art der währenddessen gezeigten Werbespots werden dabei drei verschiedene Werbeeffekte bei der Zielgruppe erzeugt: “aktiv involviert”, “periphere Wahrnehmung” bzw. “zerstreut involviert” und “abgewandt”.
Je nach Stimmungstönung werden Werbespots also unterschiedlich wahrgenommen, was wiederum Folgen für die Wirkungschancen hat. Die Studie belegt, dass Werbung grundsätzlich in allen drei Verfassungen wirken kann, dabei jedoch von unterschiedlichen Faktoren abhängt. Stefan Schönherr, Geschäftsführer von Eye Square erklärt: “Damit ein TV-Spot seine volle Wirkung entfalten kann, kommt es nicht nur auf die Spotmerkmale per se an. Entscheidend ist die Werbesituation – nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich muss der Kontext zur Marke passen”. Im richtigen Rahmen platziert, aktiviert Werbung also selbst bei peripherer Wahrnehmung oder sogar in abgewandter Rezeption.
Die Studie räumt dadurch mit dem Vorurteil auf, dass Werbespots z.T. gar nicht mehr wahrgenommen werden – im Gegenteil: Wie die Ergebnisse zeigen, kann ein Werbeblock als “störende Unterbrechung”, “willkommene Verschnaufpause”, “punktuelles Impulsangebot”, “belebende Abwechslung” oder “tagträumerische Phantasiereise” empfunden werden.
Für die Mediaplanung können Verantwortliche daraus schließen, dass sich zum Beispiel Formate, die von der Zielgruppe als “Begleitprogramm” konsumiert werden, für Werbespots in Form von “Impulsangeboten” anbieten. Wollen die Konsument:innen “genüsslich entspannen” oder sich “berieseln lassen”, kann die Werbung dagegen zu einer Phantasiereise anregen. Das Zusammenspiel aus Content und Kontext spielt hier also eine entscheidende Rolle. In welcher Stimmung die Zielgruppe die eigene Brand in Verbindung bringen soll, kann ebenso von Bedeutung sein, auch dieser Frage sollte vor Platzierung der Werbung gezielt nachgegangen werden.
Unterschiede zwischen TV und Streaming
Die Ergebnisse von “Mapping the Moods” zeigen, dass lineares TV den gesamten Mood-Raum abdeckt. Bei Streaming-Diensten geht es dagegen vorrangig um die Verhaltensmuster “Genüsslich entspannen”, “Unterhaltung” und “Alltagssorgen vergessen”. Speziell Subscription-Video-On-Demand (SVOD) positioniert sich damit sehr stark im Bereich Genuss (siehe Schaubild oben) – und die entsprechenden Dienste sind in der Bandbreite der Moods, die sie ansprechen können, damit deutlich limitiert.
Aber es geht auch anders. Im Gegensatz etwa zu Netflix, das als reine SVOD-Plattform konzipiert ist, bietet JOYN die ganze Palette an Bewegtbild-Erlebnissen: von SVOD über AVOD (Advertising-Video-On-Demand) bis hin zu Live-TV. Als Bindeglied zwischen klassischem TV und Streaming wird JOYN damit allen Ansprüchen für die Werbeausspielung hinsichtlich der nötigen Moods beim Zielpublikum gerecht.
Fazit
Die Ergebnisse der umfassenden Studie zeigen, dass die Betrachtung von Nutzungsmustern beim Bewegtbild der Werbeplanung zugrunde liegen sollte. Die Wahrnehmung von Werbung und die Aufnahmefähigkeit der Zielgruppe hängen u.a. von der jeweiligen Stimmung ab. Diese wiederum kann dank des Mood-Managements zeitlich deutlich besser eingeordnet und schon jetzt entsprechend für die Mediaplanung genutzt werden.
Den Zusammenhang zwischen Werbung und den Verhaltensmustern der Zielgruppe will Screenforce aber noch weiter untersuchen. Aufbauend auf der aktuellen Studie “Mapping the Moods” soll noch 2023 die Untersuchung “Mapping the Impact” veröffentlicht werden. Dabei wird es um die Fragen gehen: Warum funktionieren Spots in bestimmten Moods? Welche Wirkung haben Spotmerkmale in den Moods? Was sind relevante Merkmale von Werbespots? Ziel soll es sein, möglichst konkrete Empfehlungen für die Mediaplanung geben zu können.